< Back to insights hub

Article

Sorgfaltspflichten von Geschäftsführern und Vorständen in der Corona-Krise19 March 2020

insbesondere von Unternehmen in den Sektoren Transport, Energie oder Infrastruktur

"Geschäftsführer und Vorstände sind dazu angehalten, sich schnellstmöglich einen Überblick über die potentiellen Krisenherde ihres Unternehmens zu verschaffen."

Die Corona-Krise stellt Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen, die auf absehbare Zeit selbst die Auswirkungen der Finanzkrise in den Schatten stellen könnten. In diesem Zusammenhang stellt für sich Unternehmenslenker die Frage, ob und wie sich die jeweilige Sorgfaltspflicht aufgrund der durch Covid-19 ausgelösten Pandemie und damit für die Wirtschaft bereits eingetretenen und noch zu erwartenden Folgen derzeit ggf. neu definiert.

Geschäftsführer und Vorstände sind dazu angehalten, sich schnellstmöglich einen Überblick über die potentiellen Krisenherde ihres Unternehmens zu verschaffen.

Wir empfehlen, ein auf die konkrete Situation angepasstes Überwachungs- und Dokumentationssystem zu implementieren, das es der Geschäftsleitung ermöglicht, Risiken frühzeitig zu identifizieren, zu analysieren und auf diese angemessen zu reagieren.

 

Zu den Risikobereichen, die in der aktuellen Situation geprüft werden sollten, gehören insbesondere:

Unternehmensorganisation

  • Aufsetzen eines Gremiums, das sich fortlaufend mit der Krise befasst, diese beobachtet und Handlungsempfehlungen erstellt
  • Fortführung des Unternehmens im Rahmen des Möglichen
  • Schutz der Mitarbeiter vor Gesundheitsgefahren in Abstimmung mit Gesellschaftern / Aufsichtsrat

Liquiditätsmanagement, z.B. soweit möglich durch

  • Einrichten eines Systems zur rechtzeitigen Erkennung von Liquiditätsengpässen
  • Rechtzeitiges Stellen von Rechnungen
  • Eintreiben offener Forderungen
  • Vereinbarung von Stundungen
  • Anpassung von Zahlungsverpflichtungen
  • Prüfung von staatlichen Finanzhilfen der kfw
  • Prüfung von Steuervergünstigungen
  • Prüfung von Versicherungsansprüchen
  • Rechtzeitige Kontaktaufnahme mit finanzierenden Banken zur gemeinsamen Lösung der Krisensituation

Vertragsmanagement

  • Prüfung von Leistungsverpflichtungen im Hinblick auf Höhere Gewalt oder ergänzende Vertragsauslegung
  • Prüfung von Informations- und Mitteilungspflichten gegenüber Vertragspartner im Hinblick auf höhere Gewalt
  • Prüfung von Mietverträgen im Hinblick auf Anpassungsmöglichkeiten für Mieter und Vermieter
  • Vereinbarung von Vertragsanpassungen, um mit dem jeweiligen Vertragspartner in der vorliegenden Situation eine für beide Seiten angemessene Lösung zu finden
  • Prüfung von etwaigen „Kettenreaktionen“ aus vor- oder nachgelagerten oder anderweitig miteinander verknüpften Verträgen, wie z.B. Netzanschluss- oder Stromabnahmeverträge
  • Prüfung von Vertragsrechten bei Frequenzverlusten an öffentlich zugänglichen Infrastrukturen

Personalmanagement

  • Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit der Mitarbeiter
  • Ausgestaltung der Home-Office Regelungen
  • Abbau von Plusstunden auf dem Arbeitszeitkonto
  • Kurzarbeit erwägen

Regulatory Management

  • Prüfung von behördlichen Vorgaben und Fristen im Rahmen von behördlichen Verfahren und Genehmigungen im Hinblick darauf, ob diese aufgrund der Corona-Krise möglicherweise nicht eingehalten werden können
  • Prüfung, inwieweit etwaige behördliche Verzögerungen durch die Corona-Krise sich auf Projekt, Netzanschluss, etc. auswirken

Compliance

  • Beachten etwaiger neuer gesetzlicher und behördlicher Vorgaben im Zusammenhang mit der Pandemie, insbesondere regelmäßige Information darüber
  • Sicherstellen, dass HSE Vorgaben eingehalten werden

Die vorstehenden Maßnahmen werden nicht für alle Unternehmen gleichermaßen relevant sein. In manchen Unternehmen mag es darüber hinaus weitere Themen geben, die oben nicht gesondert aufgeführt sind. Wichtig ist in jedem Fall, dass die Unternehmensleitung die getroffenen Maßnahmen dokumentiert und auch festhält, in welcher Situation und aus welchen Gründen eine bestimmte Entscheidung getroffen wird. Die Situation um Covid-19 entwickelt sich rasant schnell und hinterher ist man bekanntlich immer schlauer.

Zu einigen der oben aufgeführten Themen, möchten wir aus rechtlicher Sicht noch einige weiterführende Hinweise geben. Sprechen Sie uns gerne an, sollten Sie dazu Fragen haben.

DIE AUSWIRKUNGEN DER CORONA-KRISE AUF LIEFERVERPFLICHTUNGEN IN DEN SEKTOREN TRANSPORT, ENERGIE UND INFRASTRUKTUR

Bei vorhandener „Force Majeure-Klausel“

Insbesondere in der Transportindustrie, im Energie- und im Infrastrukturbereich ist im Hinblick auf etwaige Materialengpässe oder Einschränkungen der Mobilität der Arbeitnehmer darauf zu achten, ob bestehenden Lieferverpflichtungen und laufenden Zahlungsverpflichtungen nachgekommen werden kann. Ist dies nicht der Fall, stellt sich die Frage wie hiermit rechtlich umzugehen ist, insbesondere ob den Lieferverpflichtungen aus rechtlicher Sicht nachgekommen werden muss.

Hierzu muss man die entsprechenden Vertragswerke analysieren und ermitteln, ob diese eine sog. „Force Majeure“-Klausel enthalten, die für den Fall höherer Gewalt Ausnahmen von der Lieferverpflichtung vorsehen. Dies ist insbesondere bei langfristigen (Rahmen-) Lieferverträgen der Fall, wobei es entscheidend auf den Inhalt der jeweiligen Klausel ankommt.

< Back to insights hub

"Insbesondere die Handhabung in der Vergangenheit (beispielsweise bei Ausbruch des SARS-Virus) spricht allerdings dafür, dass man die Corona-Krise unter das Vorliegen „höherer Gewalt“ fassen kann."

Enthält diese beispielsweise eine Befreiung von der Lieferverpflichtung für den Fall von Seuchen und Krankheiten, wird man die Corona-Krise sehr wahrscheinlich unter diese Klausel fassen können.

Sofern die Klausel pauschal für den Fall „höherer Gewalt“ eine Befreiung von der Lieferverpflichtung vorsieht, ist die Situation schon unklarer, da die Klausel (im Zweifel von einem Richter) auszulegen ist. Insbesondere die Handhabung in der Vergangenheit (beispielsweise bei Ausbruch des SARS-Virus) spricht allerdings dafür, dass man die Corona-Krise unter das Vorliegen „höherer Gewalt“ fassen kann.

In jedem Fall entfällt die Lieferverpflichtung nur, wenn die Leistungsverpflichtung alleine auf Grund der Corona-Krise nicht eingehalten werden kann, also beispielsweise nicht in betriebsinternen Gründen zu sehen ist, die schon vor der Krise Bestand hatten.

Rechtsfolge einer solchen „Force Majeure-Klausel“ ist in der Regel, dass die Leistungspflichten für die Zeit, in der das jeweilige, höhere Gewalt begründende Ereignis vorliegt, ausgesetzt werden, wodurch die Lieferpflicht entfällt. Zudem wird häufig auch geregelt, dass für den Fall, dass das Ereignis über einen bestimmten längerfristigen Zeitraum andauern sollte, beide Parteien ein Recht zum Rücktritt vom bzw. zur Kündigung des Vertrags haben. Teilweise wird auch explizit festgehalten, dass der Lieferant nicht in Verzug gerät oder auf Schadensersatz haftet.

Im Hinblick auf diese Auslegungsschwierigkeiten bietet es sich in jedem Fall an, mit dem jeweiligen Vertragspartner in Kontakt zu treten und sich über den Inhalt der Bestimmungen zu verständigen. Zudem sollten Rechtsberater hinzugezogen werden, die die jeweiligen Vertragswerke analysieren.

Bei fehlender „Force Majeure-Klausel“

Für den Fall, dass im Vertrag keine „Force Majeure“-Klausel enthalten ist, gelten die gesetzlichen Vorschriften, die hier verschiedene Lösungswege parat halten.

Dabei ist insbesondere § 275 BGB zu beachten, der für den Fall, dass der Hersteller seine Leistung nicht oder nur mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand erbringen kann, diesen von seiner Leistungsverpflichtung befreit oder ihm jedenfalls das Recht gibt, die Leistung zu verweigern (sog. Unmöglichkeit). Eine solche von der Lieferpflicht befreiende Unmöglichkeit wird man beispielsweise dann anzunehmen haben, wenn eine Produktionsstätte infolge des Corona-Virus durch die Behörden geschlossen wird.

In den Fällen, in denen die Leistung zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen, aber mit erheblichen Aufwendungen verbunden ist, ist eine Kosten-Nutzen-Abwägung maßgeblich, was letztlich eine Frage des Einzelfalls bleibt. In jedem Fall muss sich der Lieferant rechtzeitig auf sein Leistungsverweigerungsrecht gegenüber seinem Endkunden berufen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, inwiefern finanzielle Mehraufwendungen für Ersatzbeschaffungen zur Befriedigung der Lieferverpflichtungen für Lieferanten zumutbar sind, auch wenn dies mit hohen Verlusten verbunden wäre.

Ob eine Vertragsanpassung oder aber einen Rücktritt vom Vertrag möglich ist, muss aber auch beim Wegfall der Geschäftsgrundlage wegen der Corona-Krise von Fall zu Fall beurteilt werden.

Hiervon zu trennen ist die Frage, ob der Hersteller/Lieferant seinem Abnehmer im Falle der Nichtlieferung auch auf Schadensersatz haftet. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Lieferant die Nichtlieferung zu verschulden hat, was bei Vorliegen höherer Gewalt grundsätzlich ausgeschlossen ist. Jedoch muss der Hersteller/Lieferant die Teile möglicherweise anderweitig beschaffen, sofern sie noch verfügbar sind. Ist dies nicht möglich oder wurde die Lieferung einer konkret bestimmten Sache vereinbart, trifft den Lieferant aber kein Verschulden und dementsprechend auch keine Schadensersatzpflicht.

Zu beachten ist schließlich, dass in einem solchen Fall auch der potentielle Abnehmer selbstverständlich nicht seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen muss.

Zudem finden möglicherweise auch die Regelungen zur Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) Anwendung, die entweder eine Vertragsanpassung oder aber einen Rücktritt vom Vertrag ermöglichen. Angesichts der Ausnahmesituation, die sich derzeit stellt, ist dies zwar insoweit unklar, da sich die Gerichte mit solchen Situationen bisher nicht zu befassen hatten, gleichwohl aber doch überwiegend wahrscheinlich. Ob eine Vertragsanpassung oder aber einen Rücktritt vom Vertrag möglich ist, muss aber auch beim Wegfall der Geschäftsgrundlage wegen der Corona-Krise von Fall zu Fall beurteilt werden.

Da es beim Fehlen einer „Force Majeure-Klausel“ noch mehr auf die Bewertung im Einzelfall ankommen wird, wird für einen solchen Fall dringend geraten, Rechtsrat einzuholen und sich mit seinen Vertragspartnern zu verständigen.

PRÜFUNG VON STAATLICHER UNTERSTÜTZUNG

Krisenbetroffenen Unternehmen wurde von den Regierungen auf Bundes- und Landesebene finanzielle Unterstützung zugesagt. Für Geschäftsführer und Vorstände gilt es, die tägliche Entwicklung im Auge zu behalten, um solche Unterstützungen bedarfsgerecht in Anspruch nehmen zu können.

So sollen in steuerlicher Hinsicht mögliche Vorauszahlungen auf die Einkommens-, Körperschafts- sowie Gewerbesteuer leichter angepasst werden. Sofern sich herausstellt, dass die Einkünfte der Steuerpflichtigen im laufenden Jahr voraussichtlich geringer ausfallen werden, sollen diese Steuervorauszahlungen unkompliziert und zügiger herabgesetzt werden. Des Weiteren sollen die Finanzämter Steuerzahlungen unter erleichterten Bedingungen stunden können, wenn ihre Einziehung eine erhebliche Härte bedeuten würde.

Die Bundesregierung hat der Wirtschaft auch Liquiditätszuschüsse zugesichert, die über die KfW abgewickelt werden sollen. Bereits vorhandene Finanzinstrumente (wie etwa Betriebsmittelkredite oder KfW-Kredite) sollen ausgeweitet und die Zugangsbedingungen erleichtert werden. Die Konditionen der Kredite richten sich nach dem Marktbestand des Unternehmens und betreffen insbesondere Risikoübernahmen (Haftungsfreistellungen) für durchleitende Finanzierungspartner (in der Regel die Hausbanken).

Darüber hinaus bereitet die KfW für Unternehmen, gestaffelt nach deren Größe, ein Sonderprogramm vor, durch das krisenbedingten Finanzierungsschwierigkeiten begegnet werden soll.

Wir halten Sie hier auf dem Laufenden!

"Maßgeblich dafür, möglichst unbeschadet aus der Krise herauszukommen, ist es, die bereits bestehenden Sorgfaltspflichten noch gründlicher wahrzunehmen und im ständigen Austausch mit Vertragspartnern und Rechtsberatern die bestmöglichen und praktikabelsten Lösungen herauszuarbeiten."

DIE ZEITWEISE AUSSETZUNG DER INSOLVENZANTRAGSPFLICHT

Zu beachten ist ferner, dass die grundsätzliche Verpflichtung der Unternehmensleitung bei Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung unverzüglich einen Insolvenzantrag zu stellen, ausgesetzt werden soll. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) erarbeitet derzeit eine entsprechende Regelung.

Voraussetzung für die Aussetzung soll sein, dass der Insolvenzgrund auf den Auswirkungen des Coronavirus beruht und auf Grund einer Beantragung öffentlicher Hilfen bzw. Finanzierungs- oder Sanierungsverhandlungen eines Antragspflichtigen begründete Aussichten auf Sanierung bestehen.

Vor diesem Hintergrund müssen Geschäftsführer und Vorstände selbstverständlich weiterhin analysieren und dokumentieren, ob die Voraussetzungen für die Stellung eines Insolvenzantrags vorliegen. Gleichzeitig ist es aber auch erforderlich, die Kausalität des Coronavirus für den Eintritt des Insolvenzgrundes hinreichend zu dokumentieren.

FAZIT

Die Corona-Krise stellt Geschäftsführer und Vorstände vor Aufgaben, die sie in dieser Form höchstwahrscheinlich noch nicht erlebt haben. Jedoch lässt Sie das Recht, der Staat und natürlich wir als Ihre Berater nicht allein. Maßgeblich dafür, möglichst unbeschadet aus der Krise herauszukommen, ist es, die bereits bestehenden Sorgfaltspflichten noch gründlicher wahrzunehmen und im ständigen Austausch mit Vertragspartnern und Rechtsberatern die bestmöglichen und praktikabelsten Lösungen herauszuarbeiten.

Bitte klicken Sie hier, um unseren neuesten Artikel über die Auswirkungen der Pandemie auf Beschäftigungsfragen in Deutschland zu lesen (auf Deutsch) und klicken Sie hier, um unsere Ratschläge zu den von der deutschen Bundesregierung auferlegten finanziellen Notfallvorschriften zu lesen (auf Englisch).

< Back to insights hub