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Newsletter: Öffentlicher Sektor – Dezember 202314 December 2023

Willkommen zu unserer Dezember 2023 Ausgabe des Öffentlichen Sektor Newsletters von Watson Farley & Williams.

Anbei erhalten Sie die aktuelle Ausgabe unseres Newsletters mit einer Zusammenfassung derzeitiger Entwicklungen im Bereich des öffentlichen Sektors.

Die zwingend erforderliche Beschleunigung von Mobilitäts-, Infrastruktur- oder Digitalisierungsprojekten ist in aller Munde – wären da nur nicht z.B. die derzeitige Unsicherheit bei der Haushaltslage, die Personalengpässe bei Vorhabenträgern und die Kapazitätsengpässen auf den Märkten. Damit steigen auch die Anforderungen an die Vorbereitung und Durchführung von Beschaffungsvorhaben weiter, da diese Unsicherheiten ausreichend berücksichtigt werden müssen.

Investitions- und Ausbauanreize im Bereich digitaler Infrastrukturen – mit dem Thema des Monats möchten wir Sie anhand der aktuellen Entwicklungen in der Rechtssetzung darüber informieren, welche Neuerungen durch den Gigabit Infrastructure Act der EU zum Beispiel für die Koordination von Bauarbeiten zu leitungsgebundener Infrastruktur wie etwas Nahwärmenetze, Entwässerungseinrichtungen etc. zu erwarten sind.

Zudem haben wir wieder eine Auswahl praxisrelevanter Entwicklungen in der Gesetzgebung sowie aktueller vergaberechtlicher Entscheidungen zusammengestellt.

Für das Frühjahr 2024 haben wir bereits wieder einige Veranstaltungen vorbereitet – wir würden uns freuen, Sie in dem ein oder anderen Format begrüßen zu dürfen.

Wir wünschen Ihnen eine feierliche und geruhsame Weihnachtszeit sowie einen guten Start ins neue Jahr 2024!

THEMA DES MONATS

Neue Investitions- und Ausbauanreize durch den Gigabit Infrastructure Act der EU

Am 23. Februar 2023 hat die EU-Kommission den Verordnungsvorschlag für den Gigabit Infrastructure Act (GIA-E) erlassen, um Anreize für den Ausbau leistungsfähiger Glasfasernetze zu schaffen und so den wachsenden Bedarf nach digitaler Infrastruktur innerhalb der EU zu decken.

I. Ausgangslage

Mit dem GIA-E soll eine neue europarechtliche Grundlage geschaffen werden, um den Glasfaserausbau in der EU weiter voranzutreiben. Die Ziele der Vorgängerregelung aus der RL 2014/61/EU (Breitbandkostensenkungsrichtlinie) und des auf nationaler Ebene geltenden Gesetzes zur Erleichterung des Ausbaus digitaler Hochgeschwindigkeitsnetze (DigiNetz-Gesetz) gelten mittlerweile als überholt. Die Kommission hat daher vorgeschlagen, die bestehenden Vorschriften angesichts des steigenden Konnektivitätsbedarfs und der Konnektivitätsziele von Europas digitaler Dekade zu aktualisieren, wonach alle Haushalte und Unternehmen in der EU bis 2030 über Gigabit- und schnelle Mobilfunknetze verfügen sollten.

Der GIA-E soll den noch immer vorhandenen unterschiedlichen rechtlichen Ausgestaltungen der Mitgliedstaaten entgegenwirken sowie eine sektorenübergreifende Koordinierung erleichtern. Die EU-Kommission plant daher einheitliche Bedingungen und die Senkung von Kosten für den Ausbau. Bauarbeiten sollen besser koordiniert, bestehende Infrastruktur mitgenutzt und die Transparenz erhöht werden.

II. Umfassender Regelungsansatz durch das Rechtsinstrument einer Verordnung

Anders als die Vorgängerrichtlinie soll der GIA-E als Verordnung verabschiedet werden und damit unmittelbare Wirkung für Netzbetreiber und öffentliche Stellen (Behörden, Gebietskörperschaften, öffentliche Unternehmen usw.) in den Mitgliedstaaten entfalten. Damit wird den bisherigen Herausforderungen einer uneinheitlichen Umsetzung der Kostensenkungsrichtlinie in der EU und unterschiedlichen Auslegungen ihrer Bestimmungen begegnet.

Der Spielraum der Mitgliedstaaten, um Maßnahmen mit Blick auf sich zum Teil erheblich unterscheidende Marktsituationen beim Ausbau digitaler Infrastrukturen an die Besonderheiten der einzelnen Staaten anzupassen, wird dadurch erheblich reduziert.

III. Wesentliche Inhalte des GIA-E

Mit dem GIA-E sollen insbesondere die Genehmigungsverfahren vereinfacht und digitalisiert und Informationen über bestehende physische Infrastrukturen und geplante Bauarbeiten für Betreiber, die Gigabit-Netze aufbauen wollen, besser verfügbar gemacht werden. Neben der Digitalisierung und Vereinfachung der Prozesse soll auch die Koordination zwischen den Netzbetreibern bei Errichtung der physischen Infrastruktur verbessert werden. Außerdem soll sichergestellt werden, dass die relevanten Akteure Zugang zu dieser Infrastruktur erhalten.

Im Einzelnen ist vorgesehen:

1. Erweiterung des Anwendungsbereichs der Regelungen

Der GIA-E erfasst nicht nur Zugangsbestimmungen für Netzbetreiber elektronischer Kommunikationsnetze, sondern auch für Anbieter sogenannter zugehöriger Einrichtungen. Auch die Definition der physischen Infrastruktur wird im GIA-E im Vergleich zur Kostensenkungsrichtlinie erweitert.

2. Steigerung der Transparenzanforderungen

Mit dem GIA-E werden neue Maßnahmen eingeführt, um die Transparenz der bestehenden physischen Infrastruktur zu erhöhen. Der Vorschlag sieht beispielsweise eine Informationspflicht für Eigentümer öffentlicher Infrastrukturen vor, Mindestinformationen über die physische Infrastruktur bereitzustellen.

3. Zugangsanspruch zu bestehender physischer Infrastruktur

Es wird ein grundsätzlicher Zugangsanspruch zu physischen Infrastrukturen der öffentlichen Hand und von Netzbetreibern vorgesehen – also z.B. zu Leerrohren, Verteilerkästen aber auch auf Gas- und Abwasserleitungen, Gebäude und Verkehrsschilder. Nur unter bestimmten Bedingungen soll dieser Zugang verweigert werden können; die bisherigen Versagungsgründe werden konkretisiert.

Ein diskriminierungsfreier Zugang zu diesen Bestandsnetzen ist zu fairen und angemessenen Konditionen zu gewähren. Die Investitionsanreize ergeben sich durch einen Anspruch auf ein Mitnutzungsentgelt. Dieses soll vor allem die Investitionssicherheit fördern.

Zudem wird klargestellt, dass bei bestehenden Zugangsverpflichtungen im Rahmen der Vorschriften für staatliche Beihilfen doppelte Zugangsauflagen ausgeschlossen sind.

4. Strengere Vorgaben zur Koordinierung von Bauarbeiten

Darüber hinaus werden überarbeitete und strengere Regeln für die Koordinierung geplanter Bauarbeiten eingeführt. Diese Maßnahmen sind im Vergleich zur bisherigen Richtlinie nicht neu, wurden jedoch hinsichtlich Umfang und Anwendung erheblich erweitert. Beispielsweise müssen Informationen über geplante Bauarbeiten im Vorschlag mindestens drei Monate vor dem ersten Genehmigungsantrag vom Netzbetreiber digital verfügbar gemacht werden. Dies ist insbesondere im Hinblick auf den parallelen Ausbau von Netzen mit sehr hoher Kapazität von Interesse.

Die Koordinierung von Bauarbeiten soll die Netzausbaukosten erheblich senken, indem durch eine Mitverlegung Synergien beim Netzausbau genutzt werden.

5. Digitalisierung und Vereinfachung von Genehmigungsverfahren

Hinsichtlich der Genehmigungsverfahren werden neue Maßnahmen zur Digitalisierung und Beschleunigung eingeführt. Genehmigungsverfahren müssen auf nationaler Ebene vereinheitlicht werden. Behörden müssen alle vorhandenen Informationen über das Verfahren über eine zentrale Informationsstelle bereitstellen.

Verzögerungen bei der Erteilung von Genehmigungen sollen verringert werden, indem die zuständigen Behörden verpflichtet sind, die Vollständigkeit eines Genehmigungsantrags innerhalb von 15 Tagen nach dessen Eingang zu bestätigen. Die Frist für die Annahme bzw. Ablehnung einer Genehmigung beträgt vier Monate. Der GIA-E sieht eine Genehmigungsfiktion nach Ablauf dieser vier Monate vor.

6. Verbesserung der gebäudeinternen Netzinfrastruktur

Gebäude, die neu errichtet oder umfangreich renoviert werden, müssen mit gebäudeinternen Glasfaserleitungen ausgestattet werden, die zudem hochgeschwindigkeitsfähig sind. Dadurch soll ein leistungsfähiger Anschluss bis zum Endnutzer gewährleistet werden.

Die Einhaltung dieser Bestimmungen soll durch die Einführung eines Zertifizierungssystems nachgewiesen werden. Es wird ein „Fibre-Ready-Label“ eingeführt, das Aufschluss darüber gibt, ob ein Gebäude die Anforderungen für eine einfache Installation von Glasfasern erfüllt. Die Erteilung von Baugenehmigungen für Neubauten soll vom Vorhandensein dieser Kennzeichnung abhängig gemacht werden.

IV. Fazit

Der mit dem GIA-E verfolgte Zweck und die dafür vorgesehenen Maßnahmen sind ein wichtiger Schritt in Richtung eines effizienteren, schnelleren und kostengünstigeren Ausbaus von Glasfaser- und leistungsfähigen Mobilfunknetzen. Mit dem GIA-E kann ein wesentlicher Beitrag zu einer zuverlässigen und leistungsfähigen digitalen Infrastruktur geleitet werden.

AKTUELLE ENTWICKLUNGEN

Keine Sonderreglung zur Auftragswertschätzung bei Planungsleistungen mehr – Streichung des § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV

Am 24. August 2023 ist die Verordnung der Bundesregierung zur Anpassung des Vergaberechts an die Einführung neuer elektronischer Standardformulare („eForms“) für EU-Bekanntmachungen und an weitere europarechtliche Anforderungen in Kraft getreten. Die Sonderreglung zur Auftragswertschätzung bei Planungsleistungen für Bauvorhaben in § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV a.F. ist damit entfallen.

§ 3 Abs. 7 VgV legt fest, dass für die Auftragswertschätzung nach § 3 VgV der geschätzte Gesamtwert aller Lose zugrunde zu legen ist, die zu einem Auftrag gehören. Damit soll verhindert werden, dass sich Auftraggeber den vergaberechtlichen Vorgaben im Oberschwellenbereich dadurch entziehen, dass sie Aufträge in möglichst kleinteilige Lose zergliedern.

§ 3 Abs. 7 Satz 2 VgV a.F. regelte in diesem Zusammenhang, dass die Gesamtwertbetrachtung bei Planungsleistungen nur für Lose über gleichartige Leistungen zu erfolgen hatte. Die Bundesregierung vertrat damals wie heute die Auffassung, es handele sich lediglich um eine deklaratorische Regelung, die im Einklang mit unionsrechtlichen Vorgaben stehe (BT-Drs. 18/7318, S. 148; BT-Drs. 20/6118, S. 22). Gleichwohl hatte die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik angestrengt und hielt die Bundesregierung ein Unterliegen vor dem EuGH für „äußerst wahrscheinlich“ (BT-Drs. 20/6118, S. 22).

Mit der Abschaffung greift nun auch für Planungsleistungen zweifelsfrei § 3 Abs. 7 Satz 1 VgV. Nach dem EuGH kommt es für die Frage, ob ein einheitlicher Auftrag vorliegt, darauf an, ob ein einheitlicher Charakter in Bezug auf die wirtschaftliche und technische Funktion der jeweiligen Leistungen vorliegt (EuGH, Urteil vom 15.03.2012 – C-574/10 „Autalhalle“).

Einer Forderung des Bundesrats entsprechend hat das BMWK klarstellende Hinweise zur Auftragswertschätzung bei Planungs- und Bauleistungen unter dem untenstehenden Link veröffentlicht.

Mehr zum Thema

Entwurf des Kritis-Dachgesetzes zur Stärkung der physischen Resilienz

Das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) hat am 17. Juli 2023 einen Entwurf des Kritis-Dachgesetzes (Kritis-DachG) im Rahmen der Ressortabstimmung an die weiteren Ministerien der Bundesregierung übersendet. Zuvor waren lediglich die Eckpunkte zum Kritis-DachG bekannt.

Das Kritis-DachG trifft erstmalig bundeseinheitliche und sektorenübergreifende Vorgaben, um kritische Anlagen zu identifizieren und normiert erstmalig sektorübergreifende Maßnahmen und Mindeststandards für physische Resilienzmaßnahmen. Das Gesetz setzt insbesondere die europäische Critical-Entities-Resilience-Richtlinie (CER-Richtlinie) in deutsches Recht um. Es ergänzt das NIS 2-Umsetzungsgesetz, durch das der Cyberschutz der kritischen Infrastrukturen geregelt wird. Ziel ist ein kohärentes System zur Stärkung der Resilienz kritischer Anlagen und wichtiger Einrichtungen mit Blick auf physische Maßnahmen und IT-Sicherheitsmaßnahmen.

Das Kritis-DachG legt erstmalig ein „Dach” über die Sektoren Energie, Transport und Verkehr, Finanz- und Versicherungswesen, Gesundheit, Trinkwasser, Abwasser, Siedlungsabfallentsorgung, Informationstechnik und Telekommunikation, Ernährung, Weltraum, und Öffentliche Verwaltung. Ausgangspunkt sind alle denkbaren Risiken, die durch die Natur oder den Menschen verursacht werden können („All-Gefahren-Ansatz”).

Das Kritis-Dachgesetz nimmt alle kritischen Infrastrukturen in den Blick und definiert, welche Unternehmen und Einrichtungen verpflichtende Resilienzmaßnahmen ergreifen müssen. Zwei Kriterien müssen erfüllt sein: Wenn eine Einrichtung (1) essenziell für die Gesamtversorgung in Deutschland ist und (2) mehr als 500.000 Personen versorgt, zählt sie zu den „kritischen Anlagen”.

Um die Ziele zu erfüllen, müssen die Betreiber kritischer Anlagen auf die spezifischen Risiken für ihre Anlagen mit passgenauen Maßnahmen reagieren. Die Maßnahmen müssen sie in sogenannten Resilienzplänen darstellen. Eine wesentliche Grundlage dafür sind Risikoanalysen und -bewertungen. Das Kritis-Dachgesetz gibt vor, dass die Betreiber geeignete und verhältnismäßige Maßnahmen ergreifen müssen, um die vorgegebenen Ziele zu erreichen. Aufgrund der Verschiedenheit der Sektoren können die Maßnahmen sehr unterschiedlich ausgestaltet sein.

Darüber hinaus sieht das Kritis-Dachgesetz ein zentrales Meldewesen für erhebliche Störungen vor. Dieses Meldewesen soll das bereits bestehende Meldewesen im Bereich der IT-Sicherheit kritischer Infrastrukturen ergänzen. 

Das Kritis-Dachgesetz soll in mehreren Stufen eingeführt werden. Die Regelungen zu den wesentlichen Pflichten der Betreiber kritischer Anlagen sollen zum 01. Januar 2026 in Kraft treten, die Bußgeldvorschriften erst zum 01. Januar 2027. Dieser Zeitrahmen soll den Betroffenen ausreichend Zeit geben, sich auf die Anforderungen einzustellen. Der Entwurf befindet sich zurzeit in der Ressortabstimmung, so dass noch einige Änderungswünsche zu erwarten sind, wenngleich der Kern des Inhalts europarechtlich determiniert ist.

Stand zum Vergabetransformationspaket

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat eine Öffentliche Konsultation zur Transformation des Vergaberechts („Vergabetransformationspaket“) durchgeführt. Hintergrund ist das seitens der Bundesregierung im Koalitionsvertrag festgesetzte Ziel, die öffentlichen Vergabeverfahren zu vereinfachen, professionalisieren, digitalisieren und zu beschleunigen.

Nach Einreichung von über 400 Stellungnahmen erfolgte eine Auswertung und ein inhaltlicher Austausch. Identifiziert wurden fünf Aktionsfelder, nämlich

  • Stärkung der umwelt- und klimafreundlichen Beschaffung,
  • Stärkung der sozial-nachhaltigen Beschaffung,
  • Digitalisierung des Beschaffungswesens,
  • Vereinfachung und Beschleunigung der Vergabeverfahren und
  • Förderung von Mittelstand, Start-ups und Innovationen.

Der für Herbst/Winter 2023 angekündigte Gesetzentwurf liegt bislang noch nicht vor, sodass abzuwarten gilt, wie weitreichend die Änderungen sein werden und welche Auswirkungen diese auf Beschaffungsvorhaben haben.

Mehr zum Thema

Inkrafttreten der EU-Verordnung über Subventionen aus Drittstaaten

Am 12. Januar ist die Verordnung (EU) 2022/2560 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2022 über den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subventionen („FSR“) in Kraft getreten und seit dem 12. Juli 2023 anwendbar. Begleitend zur FSR hat die Kommission die Durchführungsverordnung (EU) 2023/1441 („DurchführungsVO“) erlassen, die am 11. Juli 2023 in Kraft getreten ist. Die FSR stattet die Kommission mit drei Instrumenten zur Prüfung finanzieller Zuwendungen aus, die in der EU wirtschaftlich tätige Unternehmen von Nicht-EU-Staaten erhalten. Diese betreffen

  1. eine generelle Kompetenz zur amtswegigen Prüfung ähnlich der Prüfung von Beihilfen,
  2. eine Anmeldepflicht von Zusammenschlüssen bei der Kommission, sofern die beteiligten Unternehmen in den letzten drei Jahren finanzielle Zuwendungen von Drittstaaten erhalten haben sowie
  3. eine Meldepflicht im Rahmen öffentlicher Vergabeverfahren, abhängig vom Auftragswert und der Höhe der finanziellen Zuwendungen.

Für die öffentliche Auftragsvergabe bedeutet dies konkret, dass Unternehmen künftig verpflichtet sind ihre Teilnahme an öffentlichen Vergabeverfahren unter bestimmten Umständen bei der EU-Kommission zu melden, wenn

  • der geschätzte Auftragswert mindestens 250 Millionen Euro beträgt und
  • sich die damit verbundene drittstaatliche finanzielle Zuwendung auf mindestens 4 Millionen Euro pro Drittstaat beläuft.

Stellt die Kommission im Rahmen ihrer Prüfung fest, dass eine drittstaatliche Subvention vorliegt und den Binnenmarkt verzerrt, wiegt sie die negativen Auswirkungen der Subvention in Form der Verzerrung gegen die positiven Auswirkungen in Form der Entwicklung der subventionierten Wirtschaftstätigkeit ab. Überwiegen die negativen Folgen, so kann die Kommission die Erteilung des Zuschlags auf das betreffende Unternehmen untersagen. Während des Prüfverfahrens der Kommission darf dem zu überprüfenden Unternehmen zudem der Zuschlag nicht erteilt werden. Dies kann zu einer erheblichen Verzögerung des Vergabeverfahrens führen.

Darüber hinaus kann die Kommission bei Verdacht des Vorliegens wettbewerbsverzerrender drittstaatlicher Subventionen von Amts wegen eine Überprüfung der betroffenen Unternehmen einleiten. Mit anderen Worten kann die Kommission unabhängig vom Auftragswert und der Höhe der finanziellen Zuwendung für öffentliche Vergabeverfahren und kleinere Zusammenschlüsse eine Ad hoc Anmeldung verlangen.

Sowohl im Rahmen von gesellschaftsrechtlichen Zusammenschlüssen als auch im Rahmen öffentlicher Vergabeverfahren haben Unternehmen daher zukünftig genau zu prüfen, welche finanziellen Zuwendungen als drittstaatliche Subventionen angesehen werden können und ob sie einer Meldeverpflichtung gemäß der FSR unterliegen.

balance of justice

AKTUELLE RECHTSPRECHUNG

Nachweis der Leistungsfähigkeit bei Eignungsleihe nicht erst nach Auftragsvergabe (EuGH, Beschluss vom 10.01.2023 – Rs. C-469/22)
Möchte ein Bewerber bzw. Bieter bei der Ausführung eines öffentlichen Auftrags die Kapazitäten eines anderen Unternehmens in Anspruch nehmen und sich darüber hinaus auf dessen Fähigkeiten berufen, so handelt es sich um einen Fall der sog. Eignungsleihe. In diesem Fall hat der Auftraggeber zu prüfen, ob die einschlägigen Eignungskriterien erfüllt werden und hinsichtlich dieses Unternehmens Ausschlussgründe vorliegen. Diese Prüfung muss im laufenden Vergabeverfahren erfolgen und kann nicht erst nach Auftragsvergabe vorgenommen werden.

Erhebliche(r) Verzug und/oder Mängel bei früherem Auftrag sind ein Ausschlussgrund (VK Bund, Beschluss vom 17.08.2023 – VK 2-56/23)
Der Auftraggeber kann ein Bieterunternehmen von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn es eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt und dies u. a. zu einer vorzeitigen Beendigung geführt hat. Um allerdings einen Ausschluss rechtfertigen zu können, so müssen die Pflichtverletzungen aus dem vorherigen Auftragsverhältnis umfassend dokumentiert sein, da der Auftraggeber in der Darlegungs- und Beweislast ist.

Direktvergabe setzt europaweite Marktanalyse voraus (VK Südbayern, Beschluss vom 05.06.2023 – 3194.Z3-3_01-22-54)
Ein öffentlicher Auftrag ist von Anfang an unwirksam, wenn der öffentliche Auftraggeber den Auftrag ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der EU vergeben hat, ohne dass dies aufgrund Gesetzes gestattet ist und dieser Verstoß in einem Nachprüfungsverfahren festgestellt worden ist. Der Auftraggeber ist für ein solches ausnahmsweises Vorgehen in der Nachweispflicht, sodass das objektive Fehlen von Wettbewerb grundsätzlich durch eine umfassende Marktanalyse auf europäischer Ebene erfolgen muss.

Eignungskriterien müssen transparent sein (OLG Frankfurt, Beschluss vom 28.09.2023 – 11 Verg 2/23)
Öffentliche Aufträge dürfen nur an fachkundige und leistungsfähige (geeignete) Unternehmen vergeben werden. Der Auftraggeber hat die Eignung anhand von bekanntgemachten Eignungskriterien zu prüfen, die nachvollziehbar und transparent sein müssen. Ein nachträgliches Abweichen von den vorab festgelegten Anforderungen ist unzulässig.

(Teilweise) Kürzung der Förderung auch bei “kleinem” Vergaberechtsverstoß (VG Halle, Beschluss vom 13.10.2023 – 3 A 256/21)
Verstößt ein Auftraggeber als Zuwendungsempfänger gegen die Auflage im Zuwendungsbescheid zur Beachtung der vergaberechtlichen Bestimmungen, so erfolgt grundsätzlich ein Widerruf des Zuwendungsbescheid. Auch bei kleineren Verfahrensfehlern ist grundsätzlich ein teilweiser Widerruf des Zuwendungsbescheids angezeigt, sofern nicht außergewöhnliche Umstände des Einzelfalls dagegen sprechen.

Negatives Preisangebot nur in absoluten Ausnahmefällen zulässig (VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.05.2023 – 1 VK 9/23)
Die Bieter dürfen sich im Rahmen der Vorgabe eines Vergabeverfahrens auf die eigene Kalkulationsfreiheit berufen. Dabei ist in absoluten Ausnahmefällen auch ein negatives Preisangebot zulässig, wobei der Auftraggeber zwingend zur Preisaufklärung verpflichtet ist. Lediglich Behauptungen des Bieters mit Verweis auf die Leistungsfähigkeit reichen dann aber nicht aus, vielmehr ist eine detaillierte Darlegung der Gründe für die Negativkalkulation mit Nachweisen erforderlich.

VERANSTALTUNGEN

VeranstaltugenDatum
DVNW Regionalgruppe: 4. Sitzung der Regionalgruppe München25.01.2024
DVNW Akademie, Berlin: Interkommunale Kooperation und Inhousevergaben – Aktuelle Anforderungen an die Organisationsstruktur zur gemeinsamen Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben
13.02.2024
Klinik Kompetenz Bayern eG, Krankenhausrechtstag 2024, Kösching: Novellierung des öffentlichen Beschaffungswesens durch Vergabetransformationspaket – schneller, effizienter und nachhaltiger?
19.02.2024
Webinar: DVNW Akademie: Überprüfung von Leistungsversprechen im Vergabeverfahren – Markterkundung, Funktionsbewertungen und Teststellungen in der vergaberechtlichen Praxis11.03.2024
Webinar: IHK Region Stuttgart: 10 Aspekte für eine erfolgreiche Bewerbung als Bieterunternehmen um öffentliche Aufträge08.04.2024

VERöffentlichungen

VeröffentlichungenReferent
NZBau 2023, 85: Zulässigkeitsgrenzen bei Überschreitung von Höchstmengen in Rahmenvereinbarungen – Besprechung von EuGH, Urteil vom 14. Juli 2022 – C-274/21, C-275/21Dr. Felix Siebler LL.M.
Sebastian Hamm
VergabeR 2023, 382: Dringend ist es immer – aber darf der Auftraggeber wirklich alles bei Interimsvergaben? – Besprechung von OLG Frankfurt, Beschluss vom 24. November 2022 – 11 Verg 5/22Dr. Felix Siebler LL.M.
KommJur 2023, 84: Doppelnutzung von Flächen im Bereich Solarenergie – Die öffentlich-rechtlichen Anforderungen an die Errichtung von schwimmenden und Parkplatz PV-AnlagenDr. Jonathan Möller
Josephine Stange
ZfBR 2023, 545: Änderung von Bestandsverträgen – Zulässigkeit und Grenzen nach § 132 GWB unter Berücksichtigung aktueller Entwicklungen in der RechtsprechungDr. Felix Siebler LL.M.
Norbert Schleper
Dr. Jonathan Möller
C.H. Beck: Verwaltungsrechtliche Organisationsvorgaben betreffend das Öffentliche Unternehmen in Öffentlich-Privater Partnerschaft (PPP), in: Burgi/Habersack (Hrsg.), Handbuch Öffentliches UnternehmensrechtDr. Felix Siebler LL.M.
Kapitel 5 – Losaufteilung, in: Bartetzky-Olbermann/Pauka (Hrsg.), Praxishandbuch IT-VergabeDr. Felix Siebler LL.M.
Wolters Kluwer
Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ): Genehmigungen allein schaffen keine InfrastrukturDr. Felix Siebler LL.M.

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