Willkommen zu unserer Dezember 2023 Ausgabe des Öffentlichen Sektor Newsletters von Watson Farley & Williams.
Anbei erhalten Sie die aktuelle Ausgabe unseres Newsletters mit einer Zusammenfassung derzeitiger Entwicklungen im Bereich des öffentlichen Sektors.
Die zwingend erforderliche Beschleunigung von Mobilitäts-, Infrastruktur- oder Digitalisierungsprojekten ist in aller Munde – wären da nur nicht z.B. die derzeitige Unsicherheit bei der Haushaltslage, die Personalengpässe bei Vorhabenträgern und die Kapazitätsengpässen auf den Märkten. Damit steigen auch die Anforderungen an die Vorbereitung und Durchführung von Beschaffungsvorhaben weiter, da diese Unsicherheiten ausreichend berücksichtigt werden müssen.
Investitions- und Ausbauanreize im Bereich digitaler Infrastrukturen – mit dem Thema des Monats möchten wir Sie anhand der aktuellen Entwicklungen in der Rechtssetzung darüber informieren, welche Neuerungen durch den Gigabit Infrastructure Act der EU zum Beispiel für die Koordination von Bauarbeiten zu leitungsgebundener Infrastruktur wie etwas Nahwärmenetze, Entwässerungseinrichtungen etc. zu erwarten sind.
Zudem haben wir wieder eine Auswahl praxisrelevanter Entwicklungen in der Gesetzgebung sowie aktueller vergaberechtlicher Entscheidungen zusammengestellt.
Für das Frühjahr 2024 haben wir bereits wieder einige Veranstaltungen vorbereitet – wir würden uns freuen, Sie in dem ein oder anderen Format begrüßen zu dürfen.
Wir wünschen Ihnen eine feierliche und geruhsame Weihnachtszeit sowie einen guten Start ins neue Jahr 2024!
THEMA DES MONATS
Neue Investitions- und Ausbauanreize durch den Gigabit Infrastructure Act der EU
Am 23. Februar 2023 hat die EU-Kommission den Verordnungsvorschlag für den Gigabit Infrastructure Act (GIA-E) erlassen, um Anreize für den Ausbau leistungsfähiger Glasfasernetze zu schaffen und so den wachsenden Bedarf nach digitaler Infrastruktur innerhalb der EU zu decken.
I. Ausgangslage
Mit dem GIA-E soll eine neue europarechtliche Grundlage geschaffen werden, um den Glasfaserausbau in der EU weiter voranzutreiben. Die Ziele der Vorgängerregelung aus der RL 2014/61/EU (Breitbandkostensenkungsrichtlinie) und des auf nationaler Ebene geltenden Gesetzes zur Erleichterung des Ausbaus digitaler Hochgeschwindigkeitsnetze (DigiNetz-Gesetz) gelten mittlerweile als überholt. Die Kommission hat daher vorgeschlagen, die bestehenden Vorschriften angesichts des steigenden Konnektivitätsbedarfs und der Konnektivitätsziele von Europas digitaler Dekade zu aktualisieren, wonach alle Haushalte und Unternehmen in der EU bis 2030 über Gigabit- und schnelle Mobilfunknetze verfügen sollten.
Der GIA-E soll den noch immer vorhandenen unterschiedlichen rechtlichen Ausgestaltungen der Mitgliedstaaten entgegenwirken sowie eine sektorenübergreifende Koordinierung erleichtern. Die EU-Kommission plant daher einheitliche Bedingungen und die Senkung von Kosten für den Ausbau. Bauarbeiten sollen besser koordiniert, bestehende Infrastruktur mitgenutzt und die Transparenz erhöht werden.
II. Umfassender Regelungsansatz durch das Rechtsinstrument einer Verordnung
Anders als die Vorgängerrichtlinie soll der GIA-E als Verordnung verabschiedet werden und damit unmittelbare Wirkung für Netzbetreiber und öffentliche Stellen (Behörden, Gebietskörperschaften, öffentliche Unternehmen usw.) in den Mitgliedstaaten entfalten. Damit wird den bisherigen Herausforderungen einer uneinheitlichen Umsetzung der Kostensenkungsrichtlinie in der EU und unterschiedlichen Auslegungen ihrer Bestimmungen begegnet.
Der Spielraum der Mitgliedstaaten, um Maßnahmen mit Blick auf sich zum Teil erheblich unterscheidende Marktsituationen beim Ausbau digitaler Infrastrukturen an die Besonderheiten der einzelnen Staaten anzupassen, wird dadurch erheblich reduziert.
III. Wesentliche Inhalte des GIA-E
Mit dem GIA-E sollen insbesondere die Genehmigungsverfahren vereinfacht und digitalisiert und Informationen über bestehende physische Infrastrukturen und geplante Bauarbeiten für Betreiber, die Gigabit-Netze aufbauen wollen, besser verfügbar gemacht werden. Neben der Digitalisierung und Vereinfachung der Prozesse soll auch die Koordination zwischen den Netzbetreibern bei Errichtung der physischen Infrastruktur verbessert werden. Außerdem soll sichergestellt werden, dass die relevanten Akteure Zugang zu dieser Infrastruktur erhalten.
Im Einzelnen ist vorgesehen:
1. Erweiterung des Anwendungsbereichs der Regelungen
Der GIA-E erfasst nicht nur Zugangsbestimmungen für Netzbetreiber elektronischer Kommunikationsnetze, sondern auch für Anbieter sogenannter zugehöriger Einrichtungen. Auch die Definition der physischen Infrastruktur wird im GIA-E im Vergleich zur Kostensenkungsrichtlinie erweitert.
2. Steigerung der Transparenzanforderungen
Mit dem GIA-E werden neue Maßnahmen eingeführt, um die Transparenz der bestehenden physischen Infrastruktur zu erhöhen. Der Vorschlag sieht beispielsweise eine Informationspflicht für Eigentümer öffentlicher Infrastrukturen vor, Mindestinformationen über die physische Infrastruktur bereitzustellen.
3. Zugangsanspruch zu bestehender physischer Infrastruktur
Es wird ein grundsätzlicher Zugangsanspruch zu physischen Infrastrukturen der öffentlichen Hand und von Netzbetreibern vorgesehen – also z.B. zu Leerrohren, Verteilerkästen aber auch auf Gas- und Abwasserleitungen, Gebäude und Verkehrsschilder. Nur unter bestimmten Bedingungen soll dieser Zugang verweigert werden können; die bisherigen Versagungsgründe werden konkretisiert.
Ein diskriminierungsfreier Zugang zu diesen Bestandsnetzen ist zu fairen und angemessenen Konditionen zu gewähren. Die Investitionsanreize ergeben sich durch einen Anspruch auf ein Mitnutzungsentgelt. Dieses soll vor allem die Investitionssicherheit fördern.
Zudem wird klargestellt, dass bei bestehenden Zugangsverpflichtungen im Rahmen der Vorschriften für staatliche Beihilfen doppelte Zugangsauflagen ausgeschlossen sind.
4. Strengere Vorgaben zur Koordinierung von Bauarbeiten
Darüber hinaus werden überarbeitete und strengere Regeln für die Koordinierung geplanter Bauarbeiten eingeführt. Diese Maßnahmen sind im Vergleich zur bisherigen Richtlinie nicht neu, wurden jedoch hinsichtlich Umfang und Anwendung erheblich erweitert. Beispielsweise müssen Informationen über geplante Bauarbeiten im Vorschlag mindestens drei Monate vor dem ersten Genehmigungsantrag vom Netzbetreiber digital verfügbar gemacht werden. Dies ist insbesondere im Hinblick auf den parallelen Ausbau von Netzen mit sehr hoher Kapazität von Interesse.
Die Koordinierung von Bauarbeiten soll die Netzausbaukosten erheblich senken, indem durch eine Mitverlegung Synergien beim Netzausbau genutzt werden.
5. Digitalisierung und Vereinfachung von Genehmigungsverfahren
Hinsichtlich der Genehmigungsverfahren werden neue Maßnahmen zur Digitalisierung und Beschleunigung eingeführt. Genehmigungsverfahren müssen auf nationaler Ebene vereinheitlicht werden. Behörden müssen alle vorhandenen Informationen über das Verfahren über eine zentrale Informationsstelle bereitstellen.
Verzögerungen bei der Erteilung von Genehmigungen sollen verringert werden, indem die zuständigen Behörden verpflichtet sind, die Vollständigkeit eines Genehmigungsantrags innerhalb von 15 Tagen nach dessen Eingang zu bestätigen. Die Frist für die Annahme bzw. Ablehnung einer Genehmigung beträgt vier Monate. Der GIA-E sieht eine Genehmigungsfiktion nach Ablauf dieser vier Monate vor.
6. Verbesserung der gebäudeinternen Netzinfrastruktur
Gebäude, die neu errichtet oder umfangreich renoviert werden, müssen mit gebäudeinternen Glasfaserleitungen ausgestattet werden, die zudem hochgeschwindigkeitsfähig sind. Dadurch soll ein leistungsfähiger Anschluss bis zum Endnutzer gewährleistet werden.
Die Einhaltung dieser Bestimmungen soll durch die Einführung eines Zertifizierungssystems nachgewiesen werden. Es wird ein „Fibre-Ready-Label“ eingeführt, das Aufschluss darüber gibt, ob ein Gebäude die Anforderungen für eine einfache Installation von Glasfasern erfüllt. Die Erteilung von Baugenehmigungen für Neubauten soll vom Vorhandensein dieser Kennzeichnung abhängig gemacht werden.
IV. Fazit
Der mit dem GIA-E verfolgte Zweck und die dafür vorgesehenen Maßnahmen sind ein wichtiger Schritt in Richtung eines effizienteren, schnelleren und kostengünstigeren Ausbaus von Glasfaser- und leistungsfähigen Mobilfunknetzen. Mit dem GIA-E kann ein wesentlicher Beitrag zu einer zuverlässigen und leistungsfähigen digitalen Infrastruktur geleitet werden.