Die Wärmewende ist ein Schlüsselthema im Energiesektor: Sie erfordert nicht nur erhebliche Investitionen, sondern auch innovative Lösungsansätze zur Einbindung von industrieller Abwärme und der Nutzung örtlicher Gegebenheiten, um nachhaltige Versorgungskonzepte zu entwickeln. Um aktuelle Entwicklungen, regulatorische Rahmenbedingungen und konkrete Investitionschancen zu diskutieren, lud Watson Farley & Williams („WFW“) Anfang Juli zu einer ganztägigen Veranstaltung in Düsseldorf ein.
An der Diskussion beteiligten sich renommierte Expert:innen von 3EC, Asper Investment Management, BLB NRW, Eavor, E.ON, Enex Power Germany, Kraftblock, IKAV, Iqony Energies, MVV Regioplan, opportunities & friends, PGIM Private Capital und UniCredit.
Nachstehend sind die wichtigsten Themen und Impulse der Veranstaltung zusammengefasst.
Regulatorik: Zwischen Ambition und Finanzierungslücke
Ein zentrales Thema bildete die Analyse des regulatorischen Umfelds. Die WFW Partner Dr. F. Maximilian Boemke und Britta Wißmann ordneten die Anforderungen des Wärmeplanungsgesetzes („WPG“) sowie des novellierten Gebäudeenergiegesetzes („GEG“) ein. Ab 2025 müssen neue Wärmenetze mindestens 65 % erneuerbare Energie oder unvermeidbare Abwärme einsetzen. Für bestehende Wärmenetze gilt das Ziel von 30% erneuerbare Energie und unvermeidbare Abwärme bis 2030 und 80% bis 2040. Das WPG verpflichtet die Kommunen, bis spätestens 2028 verbindliche Wärmepläne vorzulegen. Dabei kommt dem WPG besondere Bedeutung auf Planungsebene zu, während das GEG ordnungsrechtlichen Charakter hat und mit Verboten arbeitet.
Neben den beiden zentralen Gesetzen ging es auch um die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze und die Bundesförderung für effiziente Gebäude und deren zentrale Bausteine zur finanziellen Unterstützung der Wärmewende.
„Der Investitionsbedarf ist enorm: Laut einer eher konservativen Prognos-Studie werden bis 2030 über 43 Mrd. Euro notwendig sein, um die Erfüllung der rechtlichen Vorgaben einzuhalten“, so Boemke. „Der Bundeshalt sieht dabei derzeit nur 3,2 Mrd. Euro vor, die in die Wärmewende finanziert werden sollen. Die Lücke muss durch neue Kooperations- und Finanzierungsmodelle geschlossen werden.“
„Bei solchen Kooperationsmodellen gilt es aber auch die besonderen rechtlichen Herausforderungen zu berücksichtigen. Zu diesen zählen beispielhaft die Grenzen des Kartellrechts für Wärmelieferverträge auf Ebene zwischen Wärmeerzeugern und Wärmenetzen sowie die rechtlichen Vorgaben für Preise und Preisanpassungen gegenüber den Wärmekunden. Auch die vergaberechtlichen Anforderungen spielen eine zentrale Rolle, wenn es um Kooperationsmodelle mit Kommunen und kommunalen Gesellschaften geht“, ergänzt Wißmann.
Der regulatorische Rahmen enthält zusammenfassend komplexe Anforderungen an die Planung und Umsetzung der Wärmewende, die gleich zu Beginn mitgedacht werden sollten.
Innovative Technologien im Fokus
Ein technologisches Highlight war die Vorstellung der Hochtemperatur-Speichersysteme von Kraftblock durch Christian Kissling, Head of Business Development und Sales bei Kraftblock. Mit ihrer Modularität bieten diese Systeme eine skalierbare Lösung für die Dekarbonisierung der Prozesswärme. „Unsere thermischen Speicher machen Wärme für Industrieprozesse flexibel nutzbar“, erläuterte Christian Kissling. „Damit lassen sich Zeiten günstiger Strompreise vielfach ausnutzen und für den Rest des Tages oder länger transportieren.“ Der Hochtemperatur-Ansatz von Kraftblock ermöglicht viel Energie auf kleinem Raum und kann bis zu 1.300°C speichern. Die Wärme wird den Prozessen direkt oder als Dampf, Thermalöl oder Wasser zur Verfügung gestellt. Der Speicher kann statt Strom auch Abwärme ab 350°C aufnehmen und für den Wiedereinsatz speichern. Damit lässt sich der Primärenergiebedarf reduzieren.
Mit einem neuen Ansatz der Tiefengeothermie präsentierte Jörg Dembek, Teil des Management-Teams der Eavor GmbH, das Eavor Closed-Loop-System – eine saubere, skalierbare und grundlastfähige Technologie in einem vollständig geschlossenen System. „Anders als die konventionelle, hydrothermale Geothermie funktioniert das System von Eavor unabhängig von Heißwasser-Reservoiren“, so Jörg Dembek. Im sogenannten Eavor-Loop™ zirkuliert ein Arbeitsmedium in einem geschlossenen Kreislauf und nimmt die Wärme des umliegenden Gesteins auf. In Geretsried entsteht derzeit der weltweit erste kommerzielle Eavor-Loop™. Unterstützt wird das Projekt durch EU-Fördermittel in Höhe von über 90 Mio. Euro. Die Stromproduktion wird in der zweiten Jahreshälfte 2025 beginnen.
Christian Nolte, Managing Director von opportunities & friends ist als beauftragter Berater regelmäßig an verschiedenen Tiefen-Geothermie Projekten in der Machbarkeitsphase beteiligt. Er sieht Geothermie als Chance „Finanzierungsstrukturen für Geothermie Projekte sollten anhand der Fähigkeiten und Möglichkeiten der Partner gewählt werden. Denn die Finanzierungsstruktur entscheidet maßgeblich über den wirtschaftlichen Erfolg.“
Investitionen und Wirtschaftlichkeit der Wärmewende
Andreas Gahr, Geschäftsführer von Enex Power Germany und Christoph Reißfelder, Vice President Political Affairs der E.ON SE zeigten auf, wie sich Versorgungssicherheit mit den Renditeerwartungen institutioneller Investoren vereinen lässt. Dabei wurde deutlich: Je früher in den Netzausbau investiert wird, desto geringer sind die Risiken. Zeitverzögerungen und Absatzunsicherheiten wirken sich signifikant auf die Rendite aus.
Andreas Gahr betonte, dass sich der Wärmepreis in den letzten Jahrzehnten hauptsächlich anhand der Rohstoffpreise für fossile Brennstoffe definierte. Bei mit regenerativen Energien betriebenen Wärmenetzen bedürfe es allerdings einer gedanklichen Neuorientierung hin zu einer fairen Betrachtung der zu erreichenden Wärmepreise, um deren Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten. „Wärmepreise sind nach oben limitiert zur bestmöglichen Kundengewinnung und nach unten zur Sicherung der Rentabilität, das ist kein einfaches Unterfangen“, so Andreas Gahr. Zudem müssten Investierende die Risiken eines verzögerten Netzausbaus oder einer geringeren Anschlussquote in ihrer Renditeerwartung berücksichtigen.
Finanzierung der Wärmewende: Kooperations- und Investitionsmodelle
Die Finanzierung ist ein zentraler Baustein für das Gelingen der Wärmewende. Ohne privates Kapital lassen sich ambitionierte Projekte im Bereich der Energieinfrastruktur langfristig nicht realisieren.
WFW Partner Dr. Christian Bauer betonte, dass privates Kapital für die konsequente Umsetzung der Wärmewende unerlässlich sei. Allein auf Fördermittel zu vertrauen, stelle keine dauerhaft belastbare Option dar. Im Bereich der Energieinfrastruktur komme es auf die konsequente Einbindung privaten Kapitals an, die entsprechende Strukturen und die Bereitschaft zur Kooperation voraussetze. Öffentliche Partnerschaften böten hierbei die Möglichkeit, sowohl projektbezogen als auch langfristig strategisch zusammenzuarbeiten. „Die Wärmewende kann nur gelingen, wenn Finanzierungslösungen tragfähig und breit aufgestellt sind“, so Dr. Bauer.
Anhand von in der Praxis entwickelten Gestaltungsmodellen zeigte Dr. Bauer auf, wie Kooperationen zwischen privaten Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen umgesetzt werden können. Dabei wurde deutlich, dass eine sorgfältige Berücksichtigung der wechselseitigen Interessen ebenso zu berücksichtigen sind wie öffentlich-rechtliche Vorgaben an Begründung und Ausgestaltung der Kooperation. Zudem gelte es zu berücksichtigen, dass die Wärmewende ihren Preis habe. Einen deutlich größeren Einfluss auf die Renditeerwartung privater Investoren hätten jedoch die steigenden Kosten für Bau und Unterhaltung der Infrastruktur. „Die Wirtschaftlichkeit steht und fällt mit stabilen Rahmenbedingungen und einer fairen Risikoverteilung“, betonte Bauer. Steigende Wärmekosten seien wiederum einer der wesentlichen Treiber für attraktive Geschäftsmodelle im Bereich Energy Contracting und Effizienztechnologien.
Bei der Projektfinanzierung von Wärmeprojekten komme es auf die Struktur jedes einzelnen Projekts an. Entscheidend sei, dass der Cashflow für die Bedienung der Finanzierung ausreiche und gesichert sei und dass die Risiken angemessen bewältigt werden.
Optimierung von Wärmeprojekten: Ansätze und Lösungen
Wärmeprojekte stehen vor vielfältigen Herausforderungen, die unterschiedliche Lösungsansätze erfordern. Bisher liegt der Fokus der Dekarbonisierung vor allem auf dem Stromsektor, während die Wärmeversorgung oft noch nachgeordnet behandelt wird. Um die Transformation erfolgreich voranzubringen, müssen aber verschiedene Komponenten zusammenwirken – von der stärkeren Nutzung von Strom über digitale Optimierung bis hin zur Einbindung aller relevanten Akteure und klaren Verantwortlichkeiten.
Pavel Kusch, Co-Founder von 3Energie Consulting, betonte, dass sektorenübergreifende und multivalente Lösungen entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung von Wärmeprojekten seien. Dazu gehöre es:
- verschiedene Energiequellen in Abhängigkeit der benötigten Temperaturen zu integrieren;
- Vernetzung und Digitalisierung zu nutzen, um effiziente Steuerung und Optimierung der Systeme zu ermöglichen;
- Flexibilität und Anpassungsfähigkeit zu schaffen, damit Lösungen unter verschiedenen Bedingungen und Anforderungen funktionieren;
- systematische Optimierungen zu verfolgen, die auf spezifische Bedarfe und lokale Bedingungen abgestimmt sind;
- regulatorische Rahmenbedingungen einzuhalten, um die Dekarbonisierungsziele zu erreichen; und
- wirtschaftliche Optimierungen vorzunehmen, um tragfähige und rentable Geschäftsmodelle zu sichern – unter anderem durch Fördermittel.
Kommunale Wärmeplanung: Vom Plan zur Umsetzung
Daniel Jung, Geschäftsführer von MVV Regioplan, zeigte am Beispiel Mannheim, wie ambitionierte kommunale Wärmeplanung umgesetzt werden kann. Die Herausforderung liegt häufig in fehlenden Kapazitäten, sowohl planerisch als auch baulich. Gerade kleinere Kommunen benötigen hier gezielte Unterstützung durch Fachplanung, strategische Partnerschaften und praxisnahe Tools.
Daniel Jung machte deutlich, dass nach Abschluss der Wärmeplanung in vielen Kommunen die Prüfung der Machbarkeit von Wärmenetzen anstehe. Besonders kleinere Mittelstädte und Kleinstädte sähen sich dabei zwei wesentliche Herausforderungen konfrontiert. „Zum einen stelle sich die Frage, welche Akteure als Betreiber der Wärmenetze in Betracht kommen. Und zum anderen muss geklärt werden, wie Wärmenetze mit vergleichsweise niedrigen Renditeerwartungen finanziert werden können“, so Jung. „Hierfür bietet sich ein professionelles Umsetzungskonzept auf allen relevanten Ebenen an, beispielsweise Technik, Vertrieb, Tarife oder Organisation, das in Kooperationen mit Kapitalgebern langfristig finanziert werden kann.“
Die Veranstaltung verdeutlichte, dass die Wärmewende nicht nur technologische Innovationen und regulatorische Weichenstellungen erfordert, sondern auch neue Finanzierungsansätze und sektorübergreifende Zusammenarbeit. Um den Wandel erfolgreich zu gestalten, müssen Politik, Industrie, Finanzwelt und öffentliche Hand gemeinsam an Lösungen arbeiten. Die Diskussionen machten zudem deutlich, dass die Zeit zum Handeln gekommen ist: Die Herausforderungen sind komplex, doch ebenso vielfältig sind die Chancen für alle Beteiligten im Wärmesektor.