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Newsletter: Öffentlicher Sektor – Juni 202322 June 2023

Willkommen zu unserer Juni 2022 Ausgabe des Öffentlichen Sektor Newsletters von Watson Farley & Williams.

Anbei erhalten Sie die aktuelle Ausgabe unseres Newsletters mit einer Zusammenfassung aktueller Entwicklungen im Bereich des öffentlichen Sektors.

Kaum ein Mobilitäts-, Infrastruktur- oder Digitalisierungsprojekt wird ohne Inanspruchnahme von staatlichen Fördermitteln mehr realisiert. Dadurch steigen auch die Anforderungen an die ordnungsgemäße Durchführung von Beschaffungsvorhaben deutlich, sofern man eine Rückforderung von Zuwendungen nicht riskieren will. Die Anzahl an Rechtsprechung zu diesem Themenkomplex nimmt zu, sodass in jedem Fall eine Kenntnis zu den absoluten „No Gos“ erforderlich ist, um Risiken zu reduzieren.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser – mit dem Thema des Monats möchten wir Sie anhand der aktuellen Rechtsprechung über die Möglichkeiten informieren, wie Leistungsversprechen von Unternehmen im Rahmen des Vergabeverfahrens überprüft und somit unliebsame Überraschungen in der Auftragsdurchführung vermieden werden können.

Zudem haben wir wieder eine Auswahl praxisrelevanter Entwicklungen in der Gesetzgebung sowie aktueller vergaberechtlicher Entscheidungen zusammengestellt.

Auch für das 2. Halbjahr 2023 haben wir bereits wieder einige Veranstaltungen vorbereitet – wir würden uns freuen, Sie in dem ein oder anderen Format begrüßen zu dürfen.

Wir wünschen Ihnen eine gute Lektüre bei sommerlichen Temperaturen!

Handshake

THEMA DES MONATS

Überprüfung von Leistungsversprechen in Vergabeverfahren – Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser?

Immer öfter stehen Auftraggeber vor der Problematik, dass Unternehmen im Vergabeverfahren (umfassende) Aussagen treffen, die sich dann in der Auftragsabwicklung als nicht erfüllbar herausstellen. In jüngerer Vergangenheit mehrten sich vergaberechtliche Entscheidungen, die unter anderem die Frage zum Gegenstand hatten, ob und in welchen Fällen er die von den Unternehmen im Vergabeverfahren getroffenen Aussagen überprüfen muss (VK Südbayern, Beschluss vom 8. Februar 2023 – 3194.Z3-3_01-22-42; VK Südbayern, Beschluss vom 30. Mai 2022 – 3194.Z3-3_01-21-61; BayObLG, Beschluss vom 3. Juni 2022 – Verg 7/22; BayObLG, Beschluss vom 13. Juni 2022 – Verg 6/22; VK Lüneburg, Beschluss vom 22. August 2022 – VgK-15/2022; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Januar 2020 – Verg 20/19).

Es besteht zwar Einigkeit, dass öffentliche Auftraggeber nur bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte die Aussagen insbesondere des Bieters mit dem wirtschaftlichsten Angebot überprüfen muss. Dies kann z.B. bei sehr weitreichenden Leistungsversprechen, bei erst noch zu entwickelnden Leistungen oder bei personalintensiven Leistungen der Fall sein. Zudem muss ein Unternehmen erst ab der Erteilung des Zuschlags über die erforderliche Leistungsfähigkeit für den Auftrag sein, da ihm nicht zugemutet werden kann, die für den Auftrag erforderlichen Mittel über das Vergabeverfahren hinweg vorzuhalten (BayObLG, Beschluss vom 09.04.2021 – Verg 3/21; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Juni 2019 – Verg 52/18).

Den Auftraggebern kommt jedoch zugute, dass sie in der Wahl ihrer Mittel frei sind, wie sie die Aussagen von Unternehmen im Vergabeverfahren überprüfen können, da § 56 Abs. 1 VgV keine Vorgaben zur Art und Weise der Prüfung enthält (so ausdrücklich VK Südbayern, Beschluss vom 8. Februar 2023 – 3194.Z3-3_01-22-42).

Im Folgenden sollen daher verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt werden, auf welche Weise öffentliche Auftraggeber die Aussagen von Unternehmen im Vergabeverfahren überprüfen können, um eine Leistungserbringung gemäß diesen Aussagen sicherstellen zu können. Dabei kann und sollte zwischen verschiedenen Ebenen differenziert werden, nämlich Eignungsprüfung, Angebotsprüfung und vertraglichen Bestimmungen i.S.v. Ausführungsbedingungen.

  1. Überprüfung auf der Ebene der Leistungsfähigkeit (Eignung)

Auf der Ebene der Eignung ist zunächst zu beachten, dass die Eignungskriterien der VgV abschließend sind. Es können hier also nicht beliebige Erklärungen gefordert werden, sondern diese haben sich im Rahmen des § 46 Abs. 3 VgV zu halten. Hier können z.B. bei personalintensiven oder organisatorisch anspruchsvollen Leistungen die Angabe des für die Leistungserbringung vorgesehenen technischen Fachpersonals oder (stellvertretenden) Projektleiters (§46 Abs. 3 Nr. 2 VgV) oder Referenzangaben gefordert werden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 12. Juni 2019 – Verg 52/18). Doch führt lediglich die Angabe, dass eine bestimmte oder die geforderte Anzahl an Fachkräften zur Verfügung stehen werden noch nicht zu der Gewissheit, dass dies in der Phase der Leistungserbringung auch der Fall sein wird.

Eine solche Gewissheit kann auf Ebene der Eignung auch gar nicht erlangt werden. Denn bei der Eignungsprüfung handelt es sich um eine Prognose, bei der der Auftraggeber auf Grundlage der eingereichten Erklärungen eine Entscheidung trifft, ob das Unternehmen wirtschaftlich und finanziell sowie technisch und beruflich in der Lage ist, die Leistungen zu erfüllen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 26. Mai 2023 – Verg 2/23; OLG Frankfurt, Beschluss vom 23. Dezember 2021 – 11 Verg 6/21; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. April 2022 – VII-Verg 25/21).

Um diese Prognoseentscheidung jedoch bestmöglich treffen zu können, sollten öffentliche Auftraggeber sich nicht lediglich mit der Angabe der (Anzahl der) Fachkräfte oder Referenzen begnügen. Vielmehr sollten hier konkrete Erklärungen abgefordert werden, auf welche Weise ab der Zuschlagserteilung die Verfügbarkeit der Fachkräfte sichergestellt werden kann. Die Angaben zu den Referenzen sollten durch Gespräche mit den Referenzauftraggebern überprüft werden. Sofern z.B. ein Informationssicherheitsmanagementsystem (ISMS) nach § 46 Abs. 3 Nr. 3 VgV gefordert wird, sollte hier nicht lediglich der Nachweis über dessen Etablierung gefordert werden. Sondern es können auch – als gleichwertiges Kriterium – konkrete Erklärungen abgefragt werden, die belegen können, dass ein solches ISMS zu einem bestimmten Zeitpunkt nach Zuschlagserteilung spätestens etabliert wurde.

Weiter abgesichert können diese Angaben und Erklärungen dadurch, dass in das Vertragswerk Vertragsstrafen oder Kündigungsgründe für den Fall eines Verstoßes gegen die abgegebenen Eignungserklärungen aufgenommen werden können.

  1. Überprüfung auf Ebene der Zuschlagsentscheidung (Angebotsphase)

Für die Angebotsphase ist wesentlich, dass dort der jeweilige Leistungsgegenstand sowie die Art und Weise der Auftragsdurchführung überprüft werden sollen. Dies kann sowohl unter Berücksichtigung der Zuschlagskriterien als auch anhand der von den Bietern eingereichten Konzepte stattfinden.

Maßgebliches Instrument für diese Überprüfung sind vor allem sog. verifizierende Teststellungen. Dabei kontrolliert der Auftraggeber, ob die von den Bietern angebotenen Leistungen, die von ihm vorgegebenen (Mindest-) Kriterien erfüllen, d. h. ob die Funktionalitäten der angebotenen Leistungen tatsächlich mit den Anforderungen des Auftraggebers übereinstimmen. Solche verifizierenden Teststellungen finden meist in Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb (§ 17 VgV) in der Phase der Verhandlungen mit sämtlichen Bietern statt. Jedoch ist es auch möglich, diese verifizierenden Teststellungen unmittelbar vor der beabsichtigten Zuschlagserteilung mit demjenigen Bieter durchzuführen, auf dessen Angebot der Zuschlag erteilt werden soll. Sofern dann festgestellt wird, dass die angebotene Leistung nicht einer Mindestanforderung entspricht, ist der Zuschlag zu versagen und ist die verifizierende Teststellung mit dem Bieter mit dem zweitwirtschaftlichsten Angebot durchzuführen.

Die Durchführung solcher verifizierender Teststellungen ist auch im offenen Verfahren möglich. Ein Verstoß gegen das Verhandlungsverbot aus § 15 Abs. 5 Satz 2 VgV liegt nicht vor, da der Auftraggeber schlicht von seinem Recht Gebrauch macht, das Leistungsversprechen zu überprüfen.

Auch ist es einem Auftraggeber unbenommen, die Angebote durch einen externen Sachverständigen prüfen zu lassen (VK Südbayern, Beschluss vom 8. Februar 2023 – 3194.Z3-3_01-22-42). Hierbei ist jedoch zu beachten, dass der Auftraggeber durchaus die (beratende) Expertise eines Dritten in Anspruch nehmen kann. Die Entscheidung, ob ein Angebot den (Mindest-) Anforderungen entspricht muss allerdings vom Auftraggeber selbst getroffen werden, was in der Vergabeakte erkennbar dokumentiert sein muss (VK Berlin, Beschluss vom 14. März 2022 – VK-B2-40/21).

In Verhandlungsverfahren sollten Auftraggeber die Verhandlungen insbesondere auch dazu nutzen, Rückfragen zu stellen und die Art und Weise der Leistungserbringung, die etwa im Rahmen eines Auftragsdurchführungskonzepts beschrieben wird, plausibilisieren zu lassen. Dies allein bringt zwar keine Sicherheit, dass die Leistungen auch demgemäß durchgeführt werden. Allerdings können aufgrund der Aussagen der Bieter die Vergabeunterlagen (insbesondere Leistungsverzeichnis und Vertragswerk) „nachgeschärft“ werden und die Bieter so zur ordnungsgemäßen Leistungserbringung angehalten werden.

Eine Bestätigung über die Inhalte eines Konzepts oder eines Angebotes kann auch im Rahmen eines dokumentierten Aufklärungsgespräches stattfinden. Der Grundsatz der Schriftlichkeit nach § 9 Abs. 2 VgV steht dem nicht entgegen. Denn die unscharfe Formulierung ist dahingehend zu verstehen, dass z.B. telefonische Anfragen zur Auslegung von Angaben in den Vergabeunterlagen, mündliche Abgaben von verfahrensrelevanten Erklärungen oder mündliche Korrekturen von eingereichten Unterlagen nicht zugelassen sind. Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass sich dies nicht auf die Wirtschaftlichkeitsbewertung auswirkt und die Gespräche lediglich dazu dienen, sich des Angebotsinhalts zu vergewissern.

  1. Sicherstellung auf Ebene der Leistungsausführung (vertragliche Ausführungsbestimmungen)

Schließlich ist durch geeignete Regelungen auf der Ebene der Leistungserbringung und damit im Vertragsvollzug sicherzustellen, dass der Auftragnehmer zur Erfüllung der im Vergabeverfahren getroffenen Aussagen einschließlich seines Angebotes angehalten wird.

§ 128 Abs. 2 GWB erlaubt ausdrücklich, dass der Auftraggeber in die Vergabeunterlagen, d.h. in den Vertrag als Bestandteil der Vergabeunterlagen (siehe § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VgV), Bedingungen für die Auftragsausführung festlegen darf. Dem Auftraggeber stehen damit verschiedene Instrumente zur Verfügung, wie er den Auftragnehmer zur Leistungserbringung entsprechend seinen Aussagen und dem Angebot aus dem Vergabeverfahren anhalten kann.

Dabei ist zunächst zu empfehlen, dass nicht nur einzelne Angebotsbestandteile (wie ein von dem Bieter bzw. Auftragnehmer eingereichtes Leistungsverzeichnis oder Konzepte) sondern auch die Angaben und Erklärungen zur Eignung sowie die dokumentierten Aussagen aus einem Aufklärungsgespräch Bestandteil des Vertrages werden.

Weiterhin sollten Vertragstermine und -fristen (im Verhandlungsverfahren einvernehmlich mit den Bietern) festgelegt werden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass dem Auftragnehmer ggf. ausreichend Zeit einzuräumen ist, wenn er etwa ausreichend qualifiziertes Personal bereitstellen soll. Denn wie bereits ausgeführt ist der Auftragnehmer erst ab Erteilung des Zuschlages verpflichtet, die Leistungsfähigkeit herzustellen. Um dies realistisch darstellen zu können, ist dem Auftragnehmer ausreichend Zeit hierfür einzuräumen („Bereitstellungs- oder Rüstzeit“).

Die so festgelegten Vertragstermine und -fristen sollten an Vertragsstrafen geknüpft werden. Danach kann z.B. für jeden Tag oder Woche des (verschuldeten) Überschreitens der festgelegten Termine und Fristen Zeiten eine Vertragsstrafe in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes von dem Gesamtauftragswert vereinbart werden. Hierbei sollte die Höhe der Vertragsstrafe mit Augenmaß festgelegt werden, da die Bieter üblicherweise die Zahlung von Vertragsstrafen in den Angebotspreis einkalkulieren. Als Leitlinie können etwa die Regelungen der EVB-IT AGB gelten, die ebenfalls Bestimmungen zur Vertragsstrafe enthalten. Alternativ sollte zumindest auf den gesetzlich geregelten Schadensersatzanspruch wegen Verzug aus § 286 BGB hingewiesen werden.

Ein weiteres Instrument, um den Auftragnehmer zur vertragsgemäßen Leistung anzuhalten, sind Kündigungsregelungen. Hierbei sollte jedoch bewusst sein, dass eine Kündigung lediglich ultima ratio sein kann und für diesen Fall ein Schadensersatzanspruch für die Mehrkosten aus einem Folgeverfahren oder einer interimsweisen Beauftragung vereinbart werden sollte.

Deutlich wird nach alledem, dass durch ein Bündel von verschiedenen Instrumenten auf sämtlichen der drei angesprochenen Ebenen das Leistungsversprechen von Bietern im Vergabeverfahren überprüft bzw. sichergestellt werden kann. Die Kombination der einzelnen Instrumente richtet sich dabei nach Art und Umfang des zu beschaffenden Gegenstandes.

AKTUELLE ENTWICKLUNGEN

Rückforderung von Zuwendungen – Aktuelles zu Rückforderungsrisiken

Die Rückforderung von Zuwendungen ist ein für Zuwendungsempfänger stets relevantes Thema. Insbesondere wenn die Nichtbeachtung des Vergaberechts und sog. schwere Vergabeverstöße im Raum stehen drohen Rückforderungen.

Die Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen (ANBest-P bzw. ANBest-GK) sehen jeweils in Ziffer 8 Gründe vor, wann eine Zuwendung zu erstatten ist. Dies betrifft insbesondere die Fälle, wenn die Zuwendung nicht oder nicht mehr für den vorgesehenen Zweck verwendet wird. Aber auch wenn die Zuwendung nicht alsbald nach der Auszahlung zur Erfüllung des Zuwendungszwecks verwendet wird, droht eine Erstattungspflicht.

Insbesondere in jüngerer Zeit spielt jedoch der Aspekt der (schweren) Vergabeverstöße als Grundlage für eine Rückforderung von Zuwendungen eine gewichtige Rolle, insbesondere auch in der Rechtsprechung (siehe nur OVG Schleswig Urteil v. 23. August 2022 – 5 LB 9/20; VG Köln, Urteil v. 3. März 2023 – VG 16 K 2955/20). Denn die Rechtsfolgen solcher schweren Vergabeverstöße sind tiefgreifend. Beispielsweise sieht die Richtlinie zur Rückforderung von Zuwendungen bei schweren Vergabeverstößen (Rückforderungsrichtlinie – RZVR) in Bayern vor, dass bei einem schweren Vergabeverstoß grundsätzlich ein Widerruf des Zuwendungsbescheids und die Neufestsetzung (Kürzung) der Zuwendung vorzunehmen ist. Im Regelfall sind dann bei der Neufestsetzung die Ausgaben für die jeweilige Auftragseinheit, bei der der Verstoß ermittelt wurde, von der Förderung ausgeschlossen. Die Rückforderungsrichtlinie sieht konkrete Beispiele für schwere Vergabeverstöße vor, beispielsweise bei einem Direktauftrag oder einer Verhandlungsvergabe ohne die dafür notwendigen vergaberechtlichen Voraussetzungen oder auch bei einer fehlenden oder fehlerhaften Dokumentation.

Für Zuwendungsgeber und -empfänger interessant sind insbesondere auch die sog. COCOF-Leitlinien und der Beschluss der europäischen Kommission C (2013) 9527 final vom 19. Dezember 2013. Auch wenn ihr Anwendungsbereich in EU-finanzierten Fördervorhaben liegt, können sie als Orientierungshilfe für die Beurteilung von Vergabeverstößen und den entsprechenden Konsequenzen hieraus dienen (dazu auch VG Cottbus, Urteil v. 3. Februar 2023 – VG 3 K 1618/19; VG Cottbus, Urteil v. 21. Dezember 2021 – 3 K 2560/17).

Zuwendungsempfänger sollten daher immer die vergaberechtlichen Bestimmungen beachten und dieses ordnungsgemäß dokumentieren, um entsprechenden Rückforderungsgedanken von vornherein vorzubeugen.

Kommunale Wärmeplanung – neue Impulse durch Gesetzgebung?

Die Bundesregierung hat einen Entwurf zum „Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze” veröffentlicht. Das Wärmeplanungsgesetz dient der Umsetzung des Koalitionsvertrags der 20. Legislaturperiode, in welchem die Regierungsparteien SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP vereinbart haben, sich für eine flächendeckende kommunale Wärmeplanung und den Ausbau der Wärmenetze einzusetzen. Der Ausbau der leitungsgebundenen Wärmeversorgung über Wärmenetze und deren Dekarbonisierung ist, neben der Umstellung der dezentralen Wärmeversorgung von Gebäuden auf erneuerbare Energien, die insbesondere mit dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) erreicht werden soll, eine weitere wichtige Säule einer effizienten und treibhausgasneutralen Wärmeversorgung.

Kern der Wärmeplanung ist die Ausweisung von Wärmenetzgebieten und Gebieten für dezentrale Wärmeversorgung auf Basis einer Bestands- und Potenzialanalyse mit der Maßgabe einer möglichst kosteneffizienten klimaneutralen Versorgung.

Der Gesetzentwurf enthält verpflichtende Vorgaben zur Sicherstellung der Durchführung von Wärmeplanungen an die Länder für Gebiete ab 100.000 Einwohner sowie für Gebiete zwischen 10.000 bis 100.000 Einwohnern bis 31.12.2027 bzw. bis 31.12.2028. Wärmenetze müssen ab dem 01.01.2030 zu mindestens 50 Prozent und spätestens bis zum 31.12.2044 vollständig aus erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme gespeist werden. Wärmenetzbetreiber müssen für ihre Wärmenetze bis zum 31.12.2026 einen Transformations- und Wärmenetzausbauplan vorlegen.

balance of justice

AKTUELLE RECHTSPRECHUNG

Dringend ist es immer – aber darf der Auftraggeber wirklich alles bei Interimsvergaben? (OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.11.2022 – 11 Verg 5/22)

Eine Vergabe im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb bei für die Allgemeinheit unverzichtbaren Leistungen ist auch dann möglich, wenn die Dringlichkeit auf Versäumnisse der Vergabestelle zurückzuführen ist. Der Aspekt der Zurechenbarkeit und Vorhersehbarkeit tritt dann hinter die Notwendigkeit der Kontinuität der Leistungserbringung zurück.

In der wert- und insbesondere grundrechtsgebundenen Ordnung des Grundgesetzes und der Unionsverträge muss der Staat immer und unabhängig von früheren Versäumnissen in rechtmäßiger Weise in der Lage sein, auf Notlagen zu reagieren oder sie abzuwenden, mithin unverzichtbare Leistungen zu erbringen. Dies betrifft insbesondere Leistungen zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung einschließlich der Daseinsvorsorge.

Die besondere Dringlichkeit der Interimsvergabe rechtfertigt es aber auch in diesen Fällen regelmäßig nicht, dass nur ein einziger von mehreren interessierten Bietern in die Verhandlungen einbezogen wird. Hat es einen vorangehenden Wettbewerb gegeben, ist der öffentliche Auftraggeber auch in diesen Fällen gehalten, zumindest die im Wettbewerb über den Auftrag hervorgetretenen Bieter zu beteiligen. Etwas Anderes kann sich nur ausnahmsweise je nach Lage des Falles aus den Umständen der Dringlichkeit ergeben (Festhaltung an Senat, Beschluss vom 30.01.2014 – 11 Verg 15/13 -“Stadtbusverkehr”).

Preisgleitklausel ist nach wie vor ein Muss! (VK Lüneburg, Beschluss vom 01.02.2023 – VgK-27/2022)

Das Vergaberecht verpflichtet den öffentlichen Auftraggeber, sich wettbewerbsrechtlich fair zu verhalten. Dazu gehört jedenfalls im Bauvergaberecht das Verbot der Aufbürdung eines ungewöhnlichen Wagnisses gem. § 7 Abs. 1 Nr. 3 EU VOB/A.

Der öffentliche Auftraggeber legt dem Auftragnehmer ein ungewöhnliches Wagnis auf, wenn er von den Anbietern feste Preise für alle Positionen des Leistungsverzeichnisses einfordert, obwohl durch den Krieg zwischen Russland und der Ukraine und die verhängten Sanktionen erhebliche Veränderungen in der Versorgung bestehen.

Der Ukrainekrieg ist nach Ansicht der Vergabekammer als Ereignis anzusehen, das den Bietern auch noch im Frühjahr 2023 eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation ohne Preisgleitklausel unmöglich macht (Fortführung Beschluss der VK Westfalen vom 12.07.2022 – VK 3-24/22).

Datenverarbeitung durch US-Unternehmen und kein Ende? (VK Bund, Beschluss vom 13.02.2023 – VK 2-114/22)

Der öffentliche Auftraggeber darf grundsätzlich davon ausgehen, dass ein Bieter seine vertraglichen Zusagen erfüllen wird. Erst wenn sich konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass dies zweifelhaft ist, ist er gehalten, durch Einholung ergänzender Informationen die Erfüllbarkeit des Leistungsversprechens bzw. die hinreichende Leistungsfähigkeit des Bieters zu prüfen.

Die Tatsache, dass ein Bieter eine in Deutschland ansässige Tochtergesellschaft eines US-amerikanischen Unternehmens als Hosting-Dienstleisterin einbinden will, muss den Auftraggeber nicht an der Erfüllbarkeit des Leistungsversprechens zweifeln lassen (Anschluss an OLG Karlsruhe, Beschluss vom 07.09.2022 – 15 Verg 8/22).

Der Beschluss ist nicht bestandskräftig, es wurde sofortige Beschwerde am OLG Düsseldorf eingereicht.

Bindefristverlängerung nicht zugestimmt: Kein Ausschluss möglich! (BayObLG, Beschluss vom 26.04.2023 – Verg 16/22)

Die vom Auftraggeber beabsichtigte konkrete Nutzung eines Gebäudes genügt allein nicht, jede hierfür nötige Beschaffung von Gegenständen bereits aus diesem Grund als Bauauftrag zu qualifizieren, wenn weder ein Zusammenhang mit der Errichtung des Bauwerks besteht noch es baulicher Änderungen oder mehr als nur unerheblicher Einbaumaßnahmen bedarf.

§ 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB ist auch anwendbar, wenn der Auftrag – unzulässig – nur national ausgeschrieben war und die Antragstellerin ein Angebot abgegeben hat, ohne die fehlende europaweite Ausschreibung zu rügen. In einem derartigen Fall lässt sich eine Rügepflicht auch nicht aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis ableiten.

Durch die Bitte des Auftraggebers um Verlängerung der Bindefrist über das in den Vergabeunterlagen vorgesehene Datum hinaus werden nicht die Vergabeunterlagen geändert. Ein Ausschluss des Angebots eines Bieters, der dem zunächst nicht nachkommen möchte, ist weder nach § 57 Abs. 1 Nr. 2 noch nach Nr. 4 VgV möglich.

Gespräche mit „Wunschpartner“ sind keine Marktanalyse (VK Südbayern, Beschluss vom 08.11.2022 – 3194.Z3-3_01-22-6)

Bei einem Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb mit einem Wirtschaftsteilnehmer, das auf § 14 Abs. 4 Nr. 2 b VgV gestützt wird, kann in vielen Fällen einzig eine umfassende Analyse bestehender Lösungen den Nachweis erbringen, dass die geforderte Lösung alternativlos im Sinne des § 14 Abs. 6 VgV ist und nicht das Ergebnis einer künstlichen Markteinschränkung durch den Auftraggeber.

Eine “Marktanalyse” bei der der Auftraggeber nur seinem gewünschten Vertragspartner die notwendigen Informationen zur Leistungserbringung zukommen hat lassen und weiteren Marktteilnehmern die exakten Rahmenbedingungen des Beschaffungsbedarfs nicht mitgeteilt hat, ist von vorneherein ungeeignet, Alleinstellungsmerkmale im Sinne des § 14 Abs. 4 Nr. 2 b) VgV i.V.m. § 14 Abs. 6 VgV zu begründen.

Austausch von eignungsleihenden Unterauftragnehmern? (EuGH, Beschluss vom 6. Oktober 2021 – C-316/21)

Wenn ein öffentlicher Auftraggeber feststellt, dass ein Unternehmen, dessen Kapazitäten ein Wirtschaftsteilnehmer in Anspruch nehmen will, die Eignungskriterien nicht erfüllt, ist er nicht verpflichtet, vom Wirtschaftsteilnehmer die Ersetzung dieses Unternehmens zu verlangen, wenn dieser nicht von der öffentlichen Auftragsvergabe ausgeschlossen werden möchte (EuGH, Beschluss vom 6. Oktober 2021 – C-316/21).

Ein öffentlicher Auftraggeber darf einen Bieter nicht automatisch von einem Vergabeverfahren ausschließen, sondern muss ihm gestatten, den Unterauftragnehmer zu ersetzen, wenn ein Hilfsunternehmen, dessen Kapazitäten der Bieter in Anspruch nehmen möchte, eine wahrheitswidrige Erklärung zum Vorliegen rechtskräftiger strafrechtlicher Verurteilungen vorgelegt hat (EuGH, Urteil vom 3. Juni 2021 – C-210/20).

Es ist den Bewerbern zuzumuten, die Verfügbarkeit der Personen, auf deren Eignung sie sich berufen, verbindlich bereits im Teilnahmewettbewerb und nicht erst mit der Angebotsabgabe oder unmittelbar vor Zuschlagserteilung zu bestätigen. Die Benennung einer anderen Person oder die Abänderung der bisher vorgelegten Verfügbarkeitserklärungen dahingehend, dass die Verfügbarkeit der betreffenden Person doch wie gefordert zugesichert wird, ist kein erlaubtes „Korrigieren“ von Erklärungen, sondern die Vorlage eines „neuen“ Teilnahmeantrags VK Bund, Beschluss vom 24. Januar 2020 – VK 1-97/19).

VERANSTALTUNGEN

VeranstaltugenDatum
Webinar in Kooperation mit aumass eVergabe: Vergabe von öffentlichen Bauaufträgen an Generalunternehmer – eine rechtssichere Umsetzung aus vergabe- und vertragsrechtlicher Perspektive27.06.2023
Webinar: Aktuelle regulatorische Entwicklungen für den Glasfaserausbau28.06.2023
12. Kongress: „Klinikimmobilie der nächsten Generation“ in Mainz: Energieeffizienz bei Baubeschaffungen – von Ausführungsbedingungen und Lebenszyklusbetrachtungen in der Praxis29.06.2023
Webinar beim Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e.V.: Beschaffung von sauberen Fahrzeugen – Das Gesetz über die Beschaffung sauberer Straßenfahrzeuge in der Praxis30.06.2023
DVNW Regionalversammlung Süd in München11.07.2023
Webinar: 10 Aspekte für eine erfolgreiche Bewerbung als Bieterunternehmen um öffentliche Aufträge19.09.2023
Webinar: Beschaffung von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben - Förderbedingungen und aktueller Vergaberechtsrahmen05.10.2023
Webinar: Die Überprüfung von Leistungsversprechen im Vergabeverfahren26.10.2023
Symposium für Vergaberecht in Stuttgart: Marktbezogene und effiziente Beschaffungen - wie gelingt öffentlicher Einkauf bei knappen Ressourcen?28.11.2023

VERöffentlichungen

VeröffentlichungenDatumReferent
NZBau 2023, 85: Zulässigkeitsgrenzen bei Überschreitung von Höchstmengen in Rahmenvereinbarungen – Besprechung von EuGH, Urteil vom 14. Juli 2022 – C-274/21, C-275/21Dr. Felix Siebler LL.M.
Sebastian Hamm
VergabeR 2023, 382: Dringend ist es immer – aber darf der Auftraggeber wirklich alles bei Interimsvergaben? – Besprechung von OLG Frankfurt, Beschluss vom 24. November 2022 – 11 Verg 5/22Dr. Felix Siebler LL.M.
KommJur 2023, 84: Doppelnutzung von Flächen im Bereich Solarenergie – Die öffentlich-rechtlichen Anforderungen an die Errichtung von schwimmenden und Parkplatz PV-AnlagenDr. Jonathan Möller
Josephine Stange
ZfBR: Änderung von Bestandsverträgen – Zulässigkeit und Grenzen nach § 132 GWB unter Berücksichtigung aktueller Entwicklungen in der RechtsprechungIm ErscheinenDr. Felix Siebler LL.M.
Norbert Schleper
Dr. Jonathan Möller
ZfBR: Überprüfung von Leistungsversprechen in VergabeverfahrenIm ErscheinenDr. Felix Siebler LL.M.
Sebastian Hamm
C.H. Beck: Verwaltungsrechtliche Organisationsvorgaben betreffend das Öffentliche Unternehmen in Öffentlich-Privater Partnerschaft (PPP), in: Burgi/Habersack (Hrsg.), Handbuch Öffentliches UnternehmensrechtIm ErscheinenDr. Felix Siebler LL.M.

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