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Verschärfung der deutschen Investitionskontrolle – Bundesregierung beschliesst Gesetzesentwurf20 April 2020

Einen Überblick über die Kontrolle ausländischer Investitionen auf EU-Ebene in Grossbritannien und Frankreich, finden Sie HIER (in englischer Sprache).

Die Bundesregierung hat am 8. April 2020 den Kabinettsentwurf einer Änderung des Aussenwirtschaftsgesetzes (AWG) beschlossen. Durch die geplante Änderung werden die Regelungen zur Investitionsprüfung wesentlich verschärft. Die neuen Vorgaben werden in Transaktionen unter direkter oder indirekter Beteiligung von Erwerbern aus Nicht-EU-Ländern zu berücksichtigen sein. Mit einer Verabschiedung durch den Bundestag dürfte kurzfristig zu rechnen sein. Begleitend soll auch die Aussenwirtschaftsverordnung (AWV) geändert werden.

"Im Falle bestimmter Zielunternehmen liegt die Beteiligungsschwelle bei nur 10% und es besteht eine Pflicht, dem BMWi den Abschluss des Kaufvertrags zu melden."

Nach einem kurzen Überblick über die aktuelle Rechtslage stellen wir die wesentlichen Änderungen vor, verbunden mit einer Empfehlung für zukünftige Transaktionen.

Aktuelle Rechtslage

Die deutsche Investitionskontrolle differenziert zwischen einer „sektorspezifischen“ Prüfung, welche insbesondere den Rüstungssektor betrifft, und einer „sektorübergreifenden“ Prüfung für andere Wirtschaftsbereiche. In aller Kürze lassen sich die Regelungen wie folgt zusammenfassen:

Sektorspezifische Prüfung
In der sektorspezifischen Prüfung sind (direkte oder indirekte) Anteilserwerbe von mindestens 10% durch Ausländer meldepflichtig. Der Vollzug des betreffenden Erwerbs ist schwebend unwirksam, bis er vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) freigegeben wird oder die Prüffrist von drei Monaten nach Erhalt der vollständigen Unterlagen ohne Untersagung abgelaufen ist.

Sektorübergreifende Prüfung
Eine sektorübergreifende Prüfung kann in jeglichem Wirtschaftssektor dann stattfinden, wenn ein Unionsfremder ein inländisches Unternehmen oder eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung von mindestens 25 % der Stimmrechte an einem inländischen Unternehmen erwirbt.

Im Falle bestimmter Zielunternehmen liegt die Beteiligungsschwelle bei nur 10% und es besteht eine Pflicht, dem BMWi den Abschluss des Kaufvertrags zu melden. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn das Zielunternehmen eine „kritische Infrastruktur“ betreibt, z.B. im Energiebereich, oder bestimmte Cloud-Computing-Dienste erbringt, oder ein Unternehmen der Medienwirtschaft ist, das zur öffentlichen Meinungsbildung beiträgt und sich durch besondere Aktualität und Breitenwirkung auszeichnet. Ebenso können Unternehmen aus den Bereichen Software für kritische Infrastrukturen, Telekommunikation (bzw. deren Überwachung) und Telematikinfrastruktur erfasst sein.

Sofern hiernach keine Meldepflicht besteht, hat das BMWi die Möglichkeit, den Fall innerhalb von drei Monaten nach dem Erlangen der Kenntnis vom Abschluss des schuldrechtlichen Vertrags über den Erwerb aufzugreifen. Die Aufgreifmöglichkeit endet unabhängig von der Kenntnis des BMWi erst fünf Jahre nach Vertragsschluss. Zur Vermeidung von Rechtsunsicherheit kann die Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung beantragt werden.

Im Falle einer Prüfung bleibt das Rechtsgeschäft zunächst wirksam; lediglich im Falle einer Untersagung wird es unwirksam (auflösende Bedingung). Untersagungskriterium ist, ob die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland infolge des Erwerbs gefährdet ist. Dies setzt voraus, dass eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Wesentliche Änderungen durch die geplante AWG-Novelle

Mit der Gesetzesnovelle soll die sektorübergreifende Investitionskontrolle erheblich ausgeweitet werden.

Ausweitung des Prüfungsmaßstabs
Das AWG übernimmt den Prüfungsmaßstab der EU-Screening-Verordnung (VO 2019/452 vom 19. März 2019): Zukünftig wird das BMWi im Rahmen der sektorübergreifenden Investitionskontrolle prüfen, ob die Investition in ein inländisches Unternehmen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Deutschland, oder einem anderen EU-Mitgliedstaat, oder in Bezug auf Projekte oder Programme von Unionsinteresse voraussichtlich beeinträchtigt. Bisher konnte eine Prüfung nur bei einer tatsächlichen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit erfolgen und war auf Deutschland beschränkt.

"Vorsätzliche Verstöße gegen das Vollzugsverbot sollen als Straftaten mit einem Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe geahndet werden."

Vollzugsverbot bei meldepflichtigen Erwerben
Fällt der Erwerb in den Katalog meldepflichtiger Vorhaben (insbesondere in Fällen einer kritischen Infrastruktur), soll zukünftig ein gesetzliches Vollzugsverbot bis zur Freigabe durch das BMWi gelten. Das Vollzugsverbot geht teilweise weiter als das der Fusionskontrolle. Es erfasst neben der Ausübung von Stimmrechten und der Annahme von Weisungen zur Stimmrechtsausübung auch die Gewährung des Bezugs von Gewinnauszahlungsansprüchen oder eines wirtschaftlichen Äquivalents, und die Offenlegung unternehmensbezogener Informationen, die sich entweder auf den zu prüfenden Unternehmensgegenstand beziehen oder in einer Anordnung als bedeutsam bezeichnet sind. Laut Gesetzesbegründung wird hier beispielsweise an den Zugriff auf sicherheitsrelevante Technologien oder auf technische oder digitale Knotenpunkte mit grossem Missbrauchspotential sowie an den Abfluss sicherheitsrelevanter Informationen gedacht. Die Verbote gelten vom Zeitpunkt des schuldrechtlichen Erwerbsgeschäfts an. Die Gesetzesbegründung geht davon aus, dass in der Phase der Due Diligence und Vertragsverhandlungen die mit Blick auf eine mögliche Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung besonders relevanten Informationen ohnehin noch nicht zugänglich gemacht würden. Die Zurverfügungstellung von kaufmännischen und sonstigen unternehmensbezogenen Informationen, damit der Investor die ökonomischen Chancen und Risiken des Erwerbs belastbar beurteilen kann, soll zulässig bleiben.

Vorsätzliche Verstöße gegen das Vollzugsverbot sollen als Straftaten mit einem Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe geahndet werden. Fahrlässige Verstöße sollen bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeiten darstellen.

Erweiterung der meldepflichtigen Transaktionen
Das BMWi hat angekündigt, dass der bisherige Katalog der „kritischen Infrastrukturen“ und Technologien in der AWV erheblich erweitert wird und zukünftig auch Künstliche Intelligenz, Robotik, Halbleiter, Biotechnologie und Quantentechnologie umfassen soll. Aufgrund der Covid-19-Pandemie dürfte damit zu rechnen sein, dass auch bezüglich von Herstellern von Medizinprodukten und Arzneimitteln die Prüfungsbefugnisse erweitert werden. Ein Entwurf zur Änderung der AWV liegt allerdings noch nicht vor.

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"[…] Rein kaufmännische oder sonstige unternehmensbezogene Informationen können im Rahmen einer Due Diligence weiterhin zur Verfügung gestellt werden."

Empfehlung

Vor dem Hintergrund der geplanten Neuregelungen ist zu empfehlen, ähnlich wie bei der Fusionskontrolle bei jedem Erwerb von Unternehmensanteilen unter direkter oder indirekter Beteiligung eines ausländischen Erwerbers eine Prüfung vorzunehmen, ob eine Meldepflicht besteht oder zumindest eine Unbedenklichkeitsbescheinigung beantragt werden sollte. Im Fall einer Meldepflicht sollte die Erteilung einer Freigabe (oder Verstreichen der Frist ohne Untersagung) als Closing-Bedingung vorgesehen werden. Weiter sind im Zeitraum zwischen „Signing“ und „Closing“ sämtliche Maßnahmen zu vermeiden, die im Sinne des AWG einen Verstoß gegen das Vollzugsverbot darstellen. Hier gilt also letztlich das Gleiche wie für das bekannte kartellrechtliche Vollzugsverbot („Gun-Jumping“). Dabei ist insbesondere an die Zurverfügungstellung von Informationen zu denken. Wie oben ausgeführt, können rein kaufmännische oder sonstige unternehmensbezogene Informationen im Rahmen einer Due Diligence weiterhin zur Verfügung gestellt werden. Im Einzelfall sind diese von solchen Informationen abzugrenzen, die mit Blick auf eine mögliche Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung von besonderer Relevanz sind (z.B. Know-how zu kritischer Technologie, dessen Weitergabe gerade verhindert werden soll). Regelmäßig dürfte es allerdings bereits im eigenen Interesse der Zielgesellschaft liegen, solche Informationen nicht preiszugeben, solange nicht sicher ist, dass die Transaktion zustande kommt und vollzogen werden darf.

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