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Newsletter: Öffentlicher Sektor – Dezember 202014 December 2020

Willkommen zu unserer ersten Ausgabe des Öffentlichen Sektor Newsletters von Watson Farley & Williams.

THEMA DES MONATS

Bündelung von Bedarfen – Gemeinsame Beschaffungen von öffentlichen Auftraggebern richtig umgesetzt

Die öffentliche Hand sieht sich einer Vielzahl an Herausforderungen gegenüber – z.B. beim Aufbau von Breitbandinfrastruktur, bei der Digitalisierung von Schulen und Verwaltungen, der Modernisierung und Sanierung von öffentlichen Liegenschaften und Verkehrsinfrastruktur oder der Ausstattung von Krankenhäusern sowie sonstigen Einrichtungen.

Ein Lösungsansatz ist die Bündelung von Bedarfen mehrerer öffentlicher Auftraggeber, um die erforderlichen Bau-, Liefer- und (freiberuflichen) Dienstleistungen gemeinsam beschaffen zu können.

Vorteile durch die Bündelung von Bedarfen

Die Bündelung von Bedarfen hat eine ganze Reihe von Vorteilen – sowohl für öffentliche Auftraggeber als auch für Bieterunternehmen.

Zum einen bringt ein solches Vorgehen die Chance mit sich, auf Seiten der öffentlichen Hand signifikante Synergieeffekte herbeizuführen und den administrativen Aufwand für die Vorbereitung sowie Durchführung von Beschaffungsvorhaben zu reduzieren. So können z.B. Markterkundungen gemeinsam durchgeführt sowie gegebenenfalls erforderliche Unterstützungsleistungen von den Kooperationspartnern zentral genutzt werden. Der Aufwand für die Erarbeitung von Leistungsbeschreibungen, Vergabe- und Vertragsunterlagen lassen sich damit reduzieren.

Zum anderen führt die Bündelung von Bedarfen auch dazu, dass der Umfang der auszuschreibenden Leistungen größer wird und damit auch die Nachfragemacht der öffentlichen Hand zunimmt. Aufgrund der Zusammenführung mehrerer Bedarfe in einen gesamtheitlichen Leistungsumfang können qualitative Anforderungen auf dem Markt besser durchgesetzt und im Übrigen in aller Regel auch wirtschaftlichere Konditionen erzielt werden.

Darüber hinaus führen größere Leistungsumfänge dazu, dass in Märkten mit großer Nachfrage wie z.B. im Planungs- und Baubereich oder dem Bereich der Informationstechnologie überhaupt eine ausreichende Anzahl an Angeboten eingeht. Denn auch für Bieterunternehmen bedeutet die Beteiligung an Ausschreibungsverfahren einen gewissen Aufwand, der kaufmännisch im Verhältnis zum erwartbaren Leistungsumfang im Falle einer Beauftragung bewertet wird.

Strukturelle Möglichkeiten der Bedarfsbündelung

Für die strukturelle Bedarfsbündelung kommen sowohl Formen einer längerfristigen als auch einer lediglich bedarfsbezogenen Kooperation in Betracht.

Interkommunale Kooperation
Sofern z.B. Beschaffungsbedarfe von Kommunen gebündelt und Aufgaben gemeinsam wahrgenommen werden sollen, kommt eine interkommunale Kooperation im Sinne von § 108 Abs. 6 GWB in Betracht. Allerdings sind die Anforderungen an die Zulässigkeit und die Ausgestaltung einer solchen interkommunalen Kooperation durch aktuellere Entscheidungen der Rechtsprechung verschärft worden und die Kooperation ist im Übrigen auf bestimmte Aufgabenbereiche beschränkt.

Inhousevergabe
Sofern mehrere öffentliche Stellen bei der Beschaffung zusammenwirken wollen und aus diesem Grunde eine gemeinsame Organisationsform begründen bzw. dieser beitreten, kommt eine Übertragung der Aufgabe zur Beschaffung von Leistungen im Wege der sog. Inhousevergabe im Sinne von § 108 Abs. 1 bis 5 GWB in Betracht. Dabei werden die Bedarfe in der Form gebündelt, dass dann die gemeinsame Organisationsform z.B. als kommunale Infrastrukturgesellschaft oder IT Zweckverband die Beschaffungen für deren öffentliche Gesellschafter bzw. Mitglieder durchführt.

Strategische Partnerschaft
Auch die strategische Kooperation zwischen der öffentlichen Hand und einem privaten Partner ist möglich, z.B. um von der Expertise eines Privatunternehmens in einem bestimmten Bereich zu profitieren und langfristige Modernisierungen bzw. Konsolidierungen in der Aufgabenwahrnehmung zu erreichen. Hierbei gelten allerdings bestimmte Voraussetzungen, da zwar die Begründung einer solchen öffentlich-privaten Partnerschaft für sich genommen keinen Beschaffungsvorgang im Sinne von §§ 103 bis 105 GWB darstellt, allerdings die Übertragung der Aufgabenwahrnehmung auf die strategische Kooperation durchaus.

Zentrale Beschaffungsstelle
Die öffentliche Hand kann Bedarfe darüber hinaus bündeln, indem auf eine sog. Zentrale Beschaffungsstelle im Sinne von § 120 Abs. 4 GWB zurückgegriffen wird. Dabei ist die Zentrale Beschaffungsstelle selbst als öffentlicher Auftraggeber tätig und beschafft diejenigen Leistungen, die von den eigentlichen Bedarfsträgern benötigt werden. Eine Zentrale Beschaffungsstelle kann sowohl eine öffentliche Stelle als auch ein privater Kooperationspartner sein. Letzteres ist z.B. der Fall bei den Einkaufsdienstleistern im Gesundheitsbereich.

Gelegentliche gemeinsame Auftragsvergabe
Mehrere öffentliche Stellen können sich aber auch bedarfsbezogen lediglich für einzelne Beschaffungsvorhaben zusammenschließen und die gemeinsame Vorbereitung sowie Durchführung von Ausschreibungen im Wege der sog. gelegentlichen gemeinsamen Auftragsvergabe gemäß § 4 VgV vereinbaren.

Vertragliche Grundlage für die gemeinsame Bedarfsdeckung

Neben des Lösungsansatzes zur strukturellen Bedarfsbündelung muss auch darüber entschieden werden, auf welcher vertraglichen Grundlage die Bedarfsdeckung erfolgt. Zielsetzung ist in aller Regel, dass eine gewisse Flexibilität beim Leistungsabruf sichergestellt sein sollte, da der konkrete Leistungsumfang bei mehreren Bedarfsträgern im Vorfeld tendenziell lediglich prognostisch abgeschätzt werden kann.

Rahmenvereinbarungen
Als vertragliche Grundlage für die Bedarfsdeckung können Rahmenvereinbarungen nach Maßgabe von § 103 Abs. 5 GWB dienen. Aus solchen Rahmenvereinbarungen können dann mehrere öffentliche Auftraggeber die erforderlichen Leistungen abrufen. Denkbar ist auch, dass mehrere Unternehmen als Vertragspartner im Wege sog. Mehrpartnerrahmenvereinbarungen vorgesehen sind. Die Anforderungen an die vertragliche Ausgestaltung von Rahmenvereinbarungen sind in der letzten Zeit durch verschiedene Entscheidungen konkretisiert worden, was z.B. für die Frage nach der Angabe von Mindest- und Höchstmengen gilt. Ebenso wurden die Anforderungen an sog. Warenkörbe zum Leistungsabruf weiterentwickelt.

Einzelverträge mit Optionen
Eine andere Möglichkeit einer vertraglichen Grundlage sind Einzelverträge zur Deckung von Bedarfen, die mit weiteren Optionen hinsichtlich der Menge und / oder der Verlängerung der Vertragslaufzeit hinterlegt sind. Das heißt, dass neben einer Mindestabnahme bzw. -vertragslaufzeit vertraglich einseitige Leistungsbestimmungsrechte der öffentlichen Auftraggeber vorgesehen sind, die eine Erweiterung z.B. von Liefermengen und / oder der Vertragslaufzeit ermöglichen.

AKTUELLE ENTWICKLUNGEN

Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) stellt EUR 3 Milliarden für die Digitalisierung von Krankenhäusern zur Verfügung
Mit einem Investitionsprogramm verschafft das Bundesgesundheitsministerium den Kliniken bzw. Krankenhäusern ein digitales Update. Der Bund wird ab dem 1. Januar 2021 eine Fördersumme von EUR 3 Milliarden bereitstellen, damit Krankenhäuser in moderne Notfallkapazitäten, die Digitalisierung und ihre IT-Sicherheit investieren können. Mit dem Gesetz wird das durch die Koalition bereits am 3. Juni 2020 beschlossene „Zukunftsprogramm Krankenhäuser“ umgesetzt. Zum 1. Dezember 2020 ist die dazugehörige Förderrichtlinie veröffentlicht worden, in der die Anforderungen an die Antragstellung etc. für Krankenhäuser und Kliniken konkretisiert werden.

Siehe Veranstaltung am 21. Januar.

Aktualisierter Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Erhöhung der Sicherheit informationstechnischer Systeme (IT-Sicherheitsgesetz 2.0)
Mit dem Referentenentwurf vom 19. November 2020 für ein IT-Sicherheitsgesetz 2.0 sollen insbesondere die Befugnisse des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) ausgebaut werden. Angedacht ist die Einführung von Sicherheitskennzeichen für IT-Produkte. Neben erweiterten Pflichten für Betreiber kritischer Infrastrukturen (KRITIS) ist vorgesehen, dass eine auch sog. Unternehmen im öffentlichen Interesse vom Anwendungsbereich des Gesetzes erfasst werden. Es besteht also bei einer ganzen Reihe von Adressaten Handlungsbedarf, um eine Konformität mit den neuen Vorgaben sicherzustellen.

Siehe Veranstaltung am 11. Februar.

AKTUELLE RECHTSPRECHUNG

Ausschreibungsfreie Zusammenarbeit auf vertraglicher Grundlage nur mit Kooperationskonzept auf Gegenseitigkeit (EuGH, Beschl. v. 04. Juni 2020, Rs. C-429/19)
Öffentliche Auftraggeber dürfen nur dann ohne Ausschreibung nach Maßgabe von § 108 GWB auf vertraglicher Grundlage im Wege der interkommunalen Kooperation zusammenarbeiten, wenn sie gemeinsam eine Aufgabe von allgemeinem öffentlichen Interesse wahrnehmen und dabei Regelungen treffen, die strategische Beiträge der einzelnen Beteiligten definieren und über einen reinen Austausch von Leistung gegen Entgelt hinausgehen.

Eignungsprüfung bei sog. Newcomern unter gewissen Voraussetzungen mit niedrigeren Anforderungen (OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 01. Oktober 2020 – 11 Verg 9/20)
Sofern öffentliche Auftraggeber einen Prüfungsmaßstab mit niedrigeren Anforderungen an die Eignung sog. Newcomer festlegen möchten, ist dies ausdrücklich in der Bekanntmachung und den Vergabeunterlagen bekannt zu machen. Dabei muss unter Berücksichtigung des ausgeschriebenen Auftragsgegenstandes eine Festlegung erfolgen, unter welchen Voraussetzungen sowie auf welche Art und Weise der öffentliche Auftraggeber die Eignung bei sog. Newcomern überprüft.

Preisprüfung auch hinsichtlich einzelner Positionen im Angebot zulässig (VK Nordbayern, Beschl. v. 07. Oktober 2020 – RMF-SG21-3194-5-39)
Die Aufklärungspflicht setzt ein, sobald objektive Anhaltspunkte für einen unangemessen niedrigen Angebotspreis gegeben sind. Dabei ist grundsätzlich der Gesamtpreis des Angebots Prüfungsgegenstand, wobei öffentliche Auftraggeber die Prüfungstiefe im Rahmen ihres Ermessens bestimmen können. Das heißt, dass auch eine Prüfung lediglich einzelner Preispositionen möglich ist.

VERANSTALUNGEN

VeranstaltungenDatumReferent/in
Führungskräfte Forum des Behörden Spiegel - DigitalPakt Schule: Rechtssichere Vergabe von IT-Leistungen im Bildungsbereich17.12.2020Dr. Felix Siebler, LL.M.
IHK Auftragsberatungsstelle Baden-Württemberg: Effizientes Beschaffungsmanagement – 10 Aspekte für eine erfolgreiche Bewerbung als Bieterunternehmen um öffentliche Aufträge19.01.2021Dr. Felix Siebler, LL.M.
Krankenhauszukunftsgesetz – Ziele, Fördergegenstände und Ablauf des Antragsverfahrens21.01.2021Dr. Felix Siebler, LL.M.
Annabelle Forster, LL.M.
Bündelung von Bedarfen - Gemeinsame Beschaffungen von öffentlichen Auftraggebern richtig umgesetzt26.01.2021Dr. Felix Siebler, LL.M.
Dr. Jonathan Möller
Führungskräfte Forum des Behörden Spiegel: DigitalPakt Schule: Rechtssichere Vergabe von IT-Leistungen im Bildungsbereich09.02.2021Dr. Felix Siebler, LL.M.
IT-Auswirkungen auf Betreiber (kritischer) Infrastrukturen und sog. Unternehmen im öffentlichen Interesse sowie Beschaffungsvorhaben11.02.2021Dr. Felix Siebler, LL.M.
Verena Sauer