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"Für Energieunternehmen und andere Akteure im Energiesektor ist die Entscheidung besonders relevant, da langfristige gewerbliche Miet- und Nutzungsverhältnisse – etwa für Betriebsstandorte, Netzinfrastruktur oder technische Anlagen – häufig Wertsicherungsklauseln enthalten, die zur Absicherung langfristiger Investitionen eine zentrale Rolle spielen."
Am 5. Juni 2025 hat das Oberlandesgericht Düsseldorf („OLG Düsseldorf“) (Az.: 10 U 146/24) die für Parteien eines gewerblichen Mietvertrages wichtige Frage beantwortet, ob formularmäßig vereinbarte Wertsicherungsklauseln im Gewerbemietrecht der AGB-Kontrolle unterliegen, obwohl sie auch dem Anwendungsbereich des Preisklauselgesetzes („PrKG“) unterfallen.
Das OLG Düsseldorf hat die Frage bejaht, mit der Folge, dass ein Verstoß gegen die AGB-rechtlichen Anforderungen, insbesondere das Transparenzgebot, zu einer Unwirksamkeit der Wertsicherungsklausel von Anfang an (ex tunc) führt. Diese Entscheidung markiert eine Verschärfung der Anforderungen an die Gestaltung von Wertsicherungsklauseln. Wertsicherungsklauseln, die den Mietzins an die Entwicklung des Verbraucherpreisindex (VPI) koppeln, sind regelmäßiger Bestandteil langfristiger, gewerblicher Mietverträge und dienen der Sicherung des Kapitalwerts der Immobilie gegen Inflation.
Für Energieunternehmen und andere Akteure im Energiesektor ist die Entscheidung besonders relevant, da langfristige gewerbliche Miet- und Nutzungsverhältnisse – etwa für Betriebsstandorte, Netzinfrastruktur oder technische Anlagen – häufig Wertsicherungsklauseln enthalten, die zur Absicherung langfristiger Investitionen eine zentrale Rolle spielen.
Sachverhalt
Im August 2019 schlossen die Parteien einen gewerblichen Mietvertrag mit Mietbeginn am 1. September 2019 und einer vereinbarten Festlaufzeit von zehn Jahren. Der Mietvertrag enthielt eine Wertsicherungsklausel, nach welcher der Mietzins unter Bezugnahme auf die Entwicklung des VPI ausgehend vom Indexstand im Mai 2017 „automatisch“ angepasst werden sollte. Der Mietzins war zunächst für zwei Jahre fest vereinbart. Eine erstmalige Änderung des Mietzinses sollte nach schriftlicher Aufforderung durch den Vermieter wirksam werden. Für künftige Mietzinsanpassungen sollte diese Klausel entsprechend gelten. Der Mieter hielt die Wertsicherungsklausel für unwirksam, zahlte die Mietzinsanpassungen unter Vorbehalt und verlangte Rückzahlung von dem Vermieter. Das LG Düsseldorf gab erstinstanzlich der Klage des Mieters statt und erklärte die Wertsicherungsklausel als von Anfang an unwirksam.
Der beklagte Vermieter hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Er vertritt die Rechtsauffassung, dass die Wertsicherungsklausel nach dem PrKG wirksam sei und eine AGB-Kontrolle daher nicht greife. Das PrKG sei lex specialis und schließe daher eine AGB-Kontrolle aus. Das OLG Düsseldorf wies mit Urteil vom 5. Juni 2025 die Berufung des Vermieters zurück und bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung.
"Das Urteil des OLG Düsseldorf bestätigt die bereits vom Bundesgerichtshof („BGH“) in anderen Bereichen (z. B. Energielieferverträgen) vertretene Rechtsauffassung, dass formularmäßig vereinbarte Wertsicherungsklauseln sowohl der Kontrolle nach dem Preisklauselgesetz als auch einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB unterliegen."
Anwendung der Inhaltskontrolle und Unterschiedliche Rechtsfolgen
Das Urteil des OLG Düsseldorf bestätigt die bereits vom Bundesgerichtshof („BGH“) in anderen Bereichen (z. B. Energielieferverträgen) vertretene Rechtsauffassung, dass formularmäßig vereinbarte Wertsicherungsklauseln sowohl der Kontrolle nach dem Preisklauselgesetz als auch einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB unterliegen. So lassen u.a. weder der Wortlaut der Regelungen des PrKG noch der Zweck des PrKG erkennen, dass die Regelungen des PrKG abschließend sein sollen und eine Inhaltskontrolle ausschließen.
Bedeutung hat die Frage, ob die Wertsicherungsklausel auch der AGB-Inhaltskontrolle nach § 307 BGB unterliegt, wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen – mit daraus folgenden erheblichen wirtschaftlichen Konsequenzen für die Parteien.
§ 8 PrKG bestimmt als Rechtsfolge im Fall der Unwirksamkeit einer Wertsicherungsklausel nach dem PrKG eine Unwirksamkeit der Regelung ab dem Zeitpunkt der rechtskräftigen gerichtlichen Feststellung des Verstoßes für die Zukunft.
Sofern eine Wertsicherungsklausel aber (auch) einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht standhält, führt dies zur anfänglichen Unwirksamkeit der Regelung. In diesem Fall kann ein Mieter einen Rückforderungsanspruch ab erstmaliger Mietzinserhöhung gemäß Wertsicherungsklausel gegen den Vermieter geltend machen – so wie in der vorliegenden Entscheidung.
Gründe der Unwirksamkeit der Wertsicherungsklausel nach Inhaltskontrolle
Die Wertsicherungsklausel hält einer Inhaltskontrolle nach Rechtsauffassung des OLGs nicht stand.
Zum einen hat das OLG die Bezugnahme auf den Basisindex im Mai 2017 beanstandet. Die Klausel wählte als Bezugspunkt für die Berechnung den vom Statistischen Bundesamt für Mai 2017 veröffentlichten VPI. Dieser Zeitpunkt lag deutlich vor dem Abschluss des Mietvertrages und dem tatsächlichen Mietbeginn. Nach Auffassung des OLG Düsseldorf benachteiligte die Klausel den Mieter unangemessen, da sie Inflationszuwächse tragen musste, die bereits vor dem Erhalt der Gegenleistung – der Überlassung der Mietsache – eingetreten waren. Das OLG sieht in der Festlegung eines vor Mietbeginn liegenden Basiszeitpunktes ein starkes Indiz für eine unangemessene Benachteiligung, da es dem Grundgedanken des § 2 Abs. 3 Nr. 3 PrKG zuwiderläuft.
Zum anderen verstößt die Wertsicherungsklausel gegen das in § 307 Abs. 1 S. 2 BGB enthaltene Transparenzgebot. Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender, die Rechte und Pflichten des Vertragspartners so klar wie möglich (und nötig) zu formulieren und durchschaubar darzustellen. Die Wertsicherungsklausel enthält allerdings widersprüchliche Bestimmungen zur Wirksamkeit der Anpassung. Einerseits sah die Formulierung vor, dass sich die Miete “automatisch” im gleichen Verhältnis wie der Index ändert. Andererseits wurde festgelegt, dass die Änderung erst “nach schriftlicher Aufforderung durch den Vermieter” wirksam wird. Dieser Widerspruch schafft eine Intransparenz für den Mieter, da nicht deutlich wird, ab wann der erhöhte Mietzins geschuldet war.
Zusätzlich bemängelte das OLG die Unklarheit der Berechnungslogik für nachfolgende Anpassungen, da die Klausel keine eindeutige Regelung dazu enthielt, welcher Indexstand als neue Ausgangsbasis dienen sollte.
Entscheidung des BGHs bleibt abzuwarten
Das OLG hat die Revision zum BGH zugelassen, da die Frage des Zusammenspiels von AGB Kontrolle und Preisklauselgesetz im Gewerbemietrecht höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt ist.
"Überträgt man diese Grundsätze, so sprechen gute Argumente dafür, dass mit Erlass dieses Urteils und daran anknüpfender Urteile Mieter Kenntnis im Sinne von § 199 BGB erlangt haben bzw. ohne grobe Fahrlässigkeit hätten erlangen müssen, so dass die drei Jahre der Regelverjährung am Ende dieses Jahres oder des nächsten Jahres beginnen könnte."
Auswirkungen auf die Praxis
Wertsicherungsklauseln haben gerade seit 2022 mit steigender Inflation an Bedeutung gewonnen. Die Entscheidung zeigt, dass die Vertragsgestaltung dieser Regelungen rechtssicher erfolgen muss. Es gilt, die Voraussetzungen des PrKG einzuhalten und die Regelungen transparent zu gestalten, damit sie auch einer Inhaltskontrolle standhalten. Dazu zählt insbesondere, dass die Berechnung der Mietzinsanpassung nachvollziehbar gestaltet werden muss, die Klausel nicht widersprüchlich ist und die Klausel keine Bezugnahme auf veraltete Indexstände nimmt. Gerade die Bezugnahme auf einen bei tatsächlichem Mietbeginn veralteten Indexstand ist nicht unüblich, wenn zwischen Vertragsabschluss und Mietbeginn mehrere Jahre liegen. Dadurch konnte vermieterseitig die Preisentwicklung während der Bauphase berücksichtigt werden.
Da viele ältere Gewerbemietverträge Wertsicherungsklauseln enthalten, die erst mit steigender Inflation wieder an Bedeutung gewonnen haben, gilt es zu prüfen, ob darauf gestützte Mieterhöhungen wirksam erfolgt sind. Es besteht die Möglichkeit für Mieter zur Geltendmachung signifikanter Rückforderungsansprüche aus Altverträgen. Solche auf ungerechtfertigte Bereicherung gestützten Rückforderungsansprüche dürften nach der Regelverjährung gemäß §§ 195, 199 BGB innerhalb von drei Jahren ab dem Schluss des Jahres verjähren, in dem der Bereicherungsanspruch entstanden ist und der Mieter von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.
Darüber, wann ein Mieter Kenntnis im Sinne des § 199 BGB erlangt, kann es durchaus intensive Diskussionen geben, da die Rechtslage noch nicht höchstrichterlich entschieden ist, wie die Zulassung der Revision zum BGH sowie der anderslautende Beschluss vom 5. Februar 2024 des OLG Schleswig (Az.: 12 U 69/23) zeigt. In diesem Beschluss hat das OLG Schleswig die Rechtsauffassung vertreten, dass in einem vergleichbaren Fall einer Wertsicherungsklausel eine AGB-Kontrolle wegen des spezialgesetzlichen Prüfungsmaßstabs des PrKG abzulehnen sei. Es kann sich nun jedoch durch die Entscheidung des OLG Düsseldorf bereits eine Tendenz herauskristallisieren.
So ist bei Ansprüchen auf Rückgewähr eines Bearbeitungsentgelts, das sich der Darlehensgeber in unwirksamen AGB ausbedungen hatte, das subjektive Element des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB in dem Zeitpunkt erfüllt gewesen, als sich in der obergerichtlichen Rechtsprechung eine klare Tendenz für die Annahme der Unwirksamkeit abzeichnete.
Überträgt man diese Grundsätze, so sprechen gute Argumente dafür, dass mit Erlass dieses Urteils und daran anknüpfender Urteile Mieter Kenntnis im Sinne von § 199 BGB erlangt haben bzw. ohne grobe Fahrlässigkeit hätten erlangen müssen, so dass die drei Jahre der Regelverjährung am Ende dieses Jahres oder des nächsten Jahres beginnen könnte.
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