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Der Stabilisierungsfonds für die Realwirtschaft9 April 2020

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Mit dem Wirtschaftsstabilisierungsfond hat der Bund eine weitere Möglichkeit geschaffen, Unternehmen der Realwirtschaft in der durch das Coronavirus bedingten Krise zu unterstützen.

"Für die kurzfristige Einrichtung des WSF nutzt der Gesetzgeber den rechtlichen und organisatorischen Rahmen des Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung („SoFFin“) aus der Finanzmarktkrise 2008."

Einführung

Als Reaktion auf die Corona-Pandemie hat der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrats am 27. März 2020 die Einrichtung eines Wirtschaftsstabilisierungsfonds („WSF“) beschlossen. Der WSF soll deutsche Unternehmen, die infolge der Pandemie in wirtschaftliche Schieflage und Liquiditätsengpässe geraten, kurzfristig und unbürokratisch finanzielle Unterstützung bieten. Für die kurzfristige Einrichtung des WSF nutzt der Gesetzgeber den rechtlichen und organisatorischen Rahmen des Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung („SoFFin“) aus der Finanzmarktkrise 2008. Der WSF hat eine Kapitalisierung von EUR 600 Milliarden.

Während der SoFFin eingerichtet wurde, um in der Finanzmarktkrise Unternehmen der Finanzwirtschaft zu stabilisieren (prominente Beispiele waren etwa Commerzbank, HSH Nordbank und Hypo Real Estate), richtet sich der neue WSF an Unternehmen der Realwirtschaft. Im Fokus stehen Unternehmen, die aufgrund Ihrer Größe, der Anzahl an Arbeitsplätzen oder ihrer strategischen Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland besonders wichtig sind. Der WSF flankiert die im Rahmen der aktuellen Krise ebenfalls aufgesetzten Programme der Kreditanstalt für Wiederaufbau („KfW“).

Sein weiter Anwendungsbereich macht den neuen WSF zu einem wichtigen Instrument für Unternehmen in allen Sektoren. Neben den besonders von der Krise betroffenen Branchen (insb. Tourismus und Einzelhandel) dürfte der WSF vor allem auch für Betreiber kritischer Infrastrukturen und Unternehmen aus den Sektoren Verkehr und Energie von großem Interesse sein. Die neuen Regelungen erleichtern die Unternehmensfinanzierung über Kredite und Kapitalerhöhungen unter Beteiligung des WSF erheblich. Unternehmen, die Maßnahmen des WSF in Anspruch nehmen wollen, sollten sich deshalb frühzeitig einen Überblick zu den rechtlichen Rahmenbedingungen und den möglichen Maßnahmen, einschließlich der Voraussetzungen und Folgen ihrer Inanspruchnahme, verschaffen.

Für Unternehmen aus dem Finanzsektor stehen die Maßnahmen des WSF nicht zur Verfügung.

Rechtlicher Rahmen

Rechtliche Grundlage des WSF ist das Wirtschaftsstabilisierungsfondsgesetz („WStFG“) (BGBl. 2020 I, S. 543). Das WStFG ist im Wesentlichen eine Änderung und Erweiterung des aus der Finanzkrise 2008 bekannten Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetzes und besteht in seinem Kern aus zwei Teilen: dem Stabilisierungsfondsgesetz („StFG“) und dem Wirtschaftsstabilisierungsbeschleunigungsgesetz („WStBG“). Die Gesetze modifizieren den bekannten regulatorischen Rahmen der Unternehmensfinanzierung teilweise erheblich, um die zügige Umsetzung von Stabilisierungsmaßnahmen des WSF zu ermöglichen.

"Der WSF ist ein nichtrechtsfähiges Sondervermögen, das im Rechtsverkehr handeln, klagen und verklagt werden kann."

Das Bundesministerium der Finanzen („BMF“) ist ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie („BMWi“) eine Rechtsverordnung („Rahmen-VO“) zu erlassen, welche die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Maßnahmen im Zusammenhang mit dem WSF näher ausgestaltet.

Stabilisierungsmassnahmen

Überblick
Der WSF ist ein nichtrechtsfähiges Sondervermögen, das im Rechtsverkehr handeln, klagen und verklagt werden kann. Der WSF soll durch die Stärkung der Liquidität und Kapitalbasis betroffener Unternehmen zur Stabilisierung der Realwirtschaft beitragen. Die wesentlichen Instrumente, die der WSF zu diesem Zweck einsetzen kann, sind:

  • die Gewährung von Garantien,
  • die Beteiligung an Unternehmen und
  • die Ausgabe von Darlehen an die KfW zur Refinanzierung von Sonderprogrammen.

Ein Rechtsanspruch auf Leistungen aus dem WSF besteht zwar ausdrücklich nicht. Aus dem Rechtsstaatsprinzip wird aber zumindest ein Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensausübung bei der Entscheidung über die Gewährung einer Stabilisierungsmaßnahme abgeleitet.

Voraussetzungen für Stabilisierungsmaßnahmen
Die Gewährung einer Stabilisierungsmaßnahme des WSF an ein Unternehmen der Realwirtschaft erfolgt auf Antrag. Der Antrag ist an das BMWi zu richten, das dann gemeinsam mit dem BMF über den Antrag entscheidet. Über Grundsatzfragen, Angelegenheiten von besonderer Bedeutung und Entscheidungen über wesentliche Maßnahmen und Auflagen entscheidet ein interministerieller Ausschuss („WSF-Ausschuss“).

Voraussetzung für einen erfolgreichen Antrag ist zunächst, dass das betroffene Unternehmen der Realwirtschaft in den beiden letzten Geschäftsjahren vor dem 1. Januar 2020 (in Anlehnung an die Definition für KMUs aus Art. 1 Empfehlung 2003/361/EG der EU Kommission) zwei der drei folgenden Kriterien erfüllt hat:

  • Bilanzsumme von mehr als EUR 43 Millionen,
  • Umsatz von mehr als EUR 50 Millionen und
  • mehr als 249 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt.

Hierbei handelt es sich grundsätzlich um Ausschlusskriterien. Das heißt, erfüllt ein Unternehmen nicht zwei der genannten Punkte, kann es grundsätzlich keine Mittel aus dem WSF erhalten. Jedoch kann der WSF-Ausschuss einzelne Unternehmen, die in einem Sektor nach § 55 Außenwirtschaftsverordnung (AWV) tätig sind, von diesen Voraussetzungen befreien. Dies sind unter anderem Betreiber kritischer Infrastruktur, Softwareentwickler aus dem Bereich kritischer Infrastruktur, Telekommunikationsanbieter sowie Rundfunk- und Presseunternehmen. Voraussetzung ist, dass das beantragende Unternehmen eine Bedeutung für die Sicherheit oder Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland hat, die vergleichbar ist mit Unternehmen, die die vorgenannten Kriterien erfüllen. Darüber hinaus kann der WSF-Ausschuss auch über eine Beteiligung des Staates an Unternehmen entscheiden, die in einer Finanzierungsrunde seit dem 1. Januar 2017 mit mindestens EUR 50 Millionen bewertet wurden – damit kommen auch Startup-Unternehmen als Berechtigte in Betracht.

"Gesellschafterbeschlüsse, die gegen die Verpflichtungserklärung verstoßen, sind anfechtbar."

Sind die o.g. Kriterien erfüllt oder nach vorstehendem Absatz suspendiert, müssen für eine Inanspruchnahme von Stabilisierungsmaßnahmen weitere Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Dem Unternehmen darf keine anderweitige Finanzierungsmöglichkeit zur Verfügung stehen. Das StFG differenziert diese Anforderung nicht weiter aus und auch die Gesetzesbegründung greift sie nicht auf. Man wird von notleidenden Unternehmen nicht erwarten können, dass sie zuvor alle denkbaren Möglichkeiten einer Bank- bzw. Kapitalmarktfinanzierung ausschöpfen, was mit entsprechendem Zeitaufwand und Beraterkosten verbunden wäre. Vermutlich wird es darauf ankommen, ob aus objektiver Sicht eine realistische Chance auf anderweitige Kapitalbeschaffung zu vertretbaren Konditionen besteht.
  • Das Unternehmen muss durch die Stabilisierungsmaßnahme die Aussicht haben, nach der Überwindung der Pandemie eigenständig fortgeführt werden zu können (Fortführungsperspektive).
  • Das Unternehmen darf nicht bereits zum Stichtag 31. Dezember 2019 die Definition eines „Unternehmens in Schwierigkeiten“ erfüllt haben. „Unternehmen in Schwierigkeiten“ sind nach Nr. 20 der Mitteilung 2014/C 249/01 der EU-Kommission Unternehmen, die auf kurze oder mittlere Sicht so gut wie sicher zur Einstellung ihrer Geschäftstätigkeit gezwungen sein werden, wenn der Staat nicht eingreift. Über diese Voraussetzung wird sichergestellt, dass nur Unternehmen eine Stabilisierungsmaßnahe erhalten können, die gerade durch die Corona-Pandemie in wirtschaftliche Schieflage geraten sind.
  • Das Unternehmen muss Gewähr für eine solide und umsichtige Geschäftspolitik bieten, wobei u.a. die Dividendenpolitik sowie die Vergütung der Organmitglieder eine Rolle spielen dürften. Außerdem soll das Unternehmen einen Beitrag zur Stabilisierung von Produktionsketten und zur Sicherung von Arbeitsplätzen leisten. Dass diese Anforderungen eingehalten werden, kann und soll durch Auflagen (insb. durch die sog. Verpflichtungserklärung – hierzu sogleich) sichergestellt werden.

Durch die Rahmen-VO können BMF und BMWi Bestimmungen zu Anforderungen und Auflagen für Unternehmen erlassen, die eine Unterstützung erhalten. Die erweiterten Anforderungen können sich u.a. auf die Mittelverwendung, weitere Kreditaufnahme, Organvergütung, Dividendenpolitik, den Zeitraum zur Erfüllung dieser Anforderungen und Maßnahmen zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen beziehen. Die Rahmen-VO darf außerdem vorsehen, dass die Geschäftsführung sich zur Einhaltung der genannten Anforderungen verpflichtet. Ein Handeln entgegen dieser Verpflichtungserklärung dürfte eine Pflichtverletzung des Managements begründen. Umgekehrt ist die Geschäftsleitung aber auch berechtigt, die Inhalte aus der Verpflichtungserklärung umzusetzen. Gesellschafterbeschlüsse, die gegen die Verpflichtungserklärung verstoßen, sind anfechtbar. Die Rahmen-VO kann weitere Rechtsfolgen vorsehen.

Neben den genannten Voraussetzungen sollen BMWi und BMF im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung folgende Kriterien berücksichtigen:

  • die Bedeutung des Unternehmens für die Wirtschaft Deutschlands: Hierbei dürfte es v.a. darum gehen, zu verhindern, dass Lieferketten für wichtige Konsumgüter zusammenbrechen und „Domino-Effekte“ eintreten;
  • die Dringlichkeit, also wie schnell das betroffene Unternehmen Liquiditätszuschüsse benötigt, bevor die Insolvenz droht;
  • die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt (d.h. wie viele Arbeitnehmer wären von einer Insolvenz des Unternehmens betroffen) und den Wettbewerb; und
  • den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz, also das für die öffentliche Verwaltung geltende Grundprinzip, wonach bestimmte Ziele mit möglichst wenig Mitteln erreicht werden sollen.

EUR 400 Milliarden aus dem Gesamtvolumen des WSF stehen bereit, um die Aufnahme von Fremdkapital durch Garantien des WSF abzusichern.

Das StFG stellt zudem klar, dass Stabilitätsmaßnahmen unter dem Vorbehalt der Vereinbarkeit mit EU-Beihilferecht (Art. 107, 108 AEUV) stehen. Im befristeten Rahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft angesichts des derzeitigen Ausbruchs von COVID-19 (Mitteilung 2020/C 91 I/01 der EU-Kommission) ist etwa die Rekapitalisierung (hierzu sogleich) nicht vorgesehen. Insbesondere Rekapitalisierungsmaßnahmen werden demnach von der Kommission beihilferechtlich zu prüfen sein.

Stabilisierungsmaßnahmen des WSF sind nur bis zum 31. Dezember 2021 möglich.

Die Stabilisierungsmaßnahmen im Einzelnen
a) Garantien

EUR 400 Milliarden aus dem Gesamtvolumen des WSF stehen bereit, um die Aufnahme von Fremdkapital durch Garantien des WSF abzusichern. Mit Hilfe der Garantien des WSF sollen betroffene Unternehmen in die Lage versetzt werden, sich am Kapitalmarkt oder über Kreditfinanzierungen die dringend benötigte Liquidität zu beschaffen, die diese Unternehmen aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation anders nicht mehr erlangen können.

Die Garantien des WSF sind angemessen zu vergüten und haben eine maximale Laufzeit von 60 Monaten. Forderungen, für die der WSF eine Garantie übernimmt, können durch die Gläubiger nicht vorzeitig geltend gemacht oder gekündigt werden.

b) Rekapitalisierung
Der WSF kann nachrangige Schuldtitel, Hybridanleihen, Genussrechte, stille Beteiligungen, Wandelanleihen sowie Geschäftsanteile von Unternehmen erwerben („Rekapitalisierung“). Für Maßnahmen der Rekapitalisierung stehen EUR 100 Milliarden zur Verfügung. Die im Gesetz genannten Schuldtitel sind mit einem Nachrang versehen und müssen daher nicht in der Überschuldungsbilanz berücksichtigt werden (§ 19 Abs. 2 S. 2 InsO).

"Jede Hauptversammlung, die über eine Rekapitalisierung entscheiden soll, kann mit der verkürzten 14-tägigen Ladungsfrist des § 16 Abs. 4 WpÜG einberufen werden."

Eine Rekapitalisierung setzt – anders als die Garantiezusage des WSF – voraus, dass der Bund ein wichtiges Interesse an der Stabilisierung des Unternehmens hat und die Stabilisierung nicht anderweitig erreicht werden kann. Rekapitalisierungsmaßnahmen des WSF dürften vor allem für Unternehmen relevant sein, denen eine besondere Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland zukommt. Zu denken ist hier insbesondere an systemrelevante Unternehmen aus den Bereich Infrastruktur, Transport und Energieversorgung.

Eine Rekapitalisierung ist ebenfalls angemessen zu vergüten. Die Laufzeit der Rekapitalisierung ist nicht begrenzt.

c) Refinanzierung von KfW-Programmen
Der Vollständigkeit halber erwähnt sei noch, dass der WSF der KfW Darlehen zur Finanzierung von Sonderprogrammen gewähren kann.

Auswirkungen auf das Gesellschaftsrecht

Das WStBG soll die schnelle Umsetzung von Stabilisierungsmaßnahmen nach dem StFG – insbesondere Rekapitalisierungen – ermöglichen. Zu diesem Zweck werden wesentliche Regelungen aus dem Gesellschaftsrecht abgeändert oder sogar gänzlich außer Kraft gesetzt. Das WStBG ersetzt das Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetz (FMStBG), gilt also auch für Unternehmen aus dem Finanzsektor soweit sie Mittel aus dem SoFFin in Anspruch genommen haben.

Im Folgenden erläutern wir die für die Praxis besonders bedeutsamen Anpassungen:

AG, KGaA und SE
Ein wesentliches Instrument des WStBG zur Beschleunigung von Stabilisierungsmaßnahmen sind Erleichterungen im Recht der Beschlussfassung. Für AG, KGaA und SE wird die Beschlussfassung der Aktionäre im Zusammenhang mit Stabilisierungsmaßnahmen erleichtert. Dabei werden Mehrheitserfordernisse und Minderheitenrechte in erheblichem Umfang eingeschränkt:

  • Jede Hauptversammlung, die über eine Rekapitalisierung entscheiden soll, kann mit der verkürzten 14-tägigen Ladungsfrist des § 16 Abs. 4 WpÜG einberufen werden; satzungsmäßige Beschränkungen für Stimmrechtsvollmachten sind unwirksam. Dies gilt ausdrücklich auch dann, wenn die Tagesordnung – neben dem Beschluss über die Rekapitalisierung – auch andere Tagesordnungspunkte vorsieht.
  • Wird die Rekapitalisierung als Kapitalerhöhung strukturiert, kann der Kapitalerhöhungsbeschluss mit einfacher Mehrheit gefasst werden. Die sonst erforderliche Dreiviertelmehrheit gilt nicht und abweichende Satzungsregelungen sind unbeachtlich.
  • Der schnelle Beteiligungserwerb durch den WSF über eine Kapitalerhöhung setzt regelmäßig voraus, dass das Bezugsrecht der Aktionäre ausgeschlossen wird. Um diesen aktienrechtlich komplexen Vorgang zu erleichtern, wird das Mehrheitserfordernis für den Beschluss über einen Bezugsrechtsausschluss abweichend von § 186 Abs. 3 AktG (Dreiviertelmehrheit) auf Zweidrittel abgesenkt. Ist die Hälfte des Grundkapitals vertreten, kann der Bezugsrechtsausschluss analog zum Kapitalerhöhungsbeschluss sogar mit einfacher Mehrheit beschlossen werden. Aufgrund der bei deutschen Aktiengesellschaften i.d.R. gegebenen Präsenzmehrheiten der Großaktionäre, werden diese im Regelfall die Richtung vorgeben. Dieselben Mehrheitsvoraussetzungen gelten auch für eine Kapitalherabsetzung, die insbesondere in Krisenzeiten zur Verlustdeckung in Betracht kommt. Der Bezugsrechtsausschluss gilt zudem stets als zulässig und angemessen.
  • Als ebenfalls angemessen gilt die Ausgabe der neuen Aktien zum Börsenkurs, auch wenn dieser unter dem Ausgabebetrag liegt. Der Vorstand kann mit Zustimmung des Aufsichtsrats sogar eine Ausgabe unter Börsenkurs anordnen; die Ausgabe unter Nennwert bleibt ausgeschlossen.
  • Hauptversammlungsbeschlüsse im Zusammenhang mit den vorstehend beschriebenen Maßnahmen werden bereits mit der Veröffentlichung des Beschlusses auf der Internetseite des Unternehmens oder mit Veröffentlichung im Bundesanzeiger wirksam. Handelsregistereintragungen sollen unverzüglich erfolgen, sind aber keine Wirksamkeitsvoraussetzung. Die Anfechtungsklage (§ 246 AktG) und die damit grundsätzlich einhergehende Registersperre steht der Wirksamkeit des Beschlusses somit nicht entgegen. Ist die Klage begründet, hat der Kläger einen Schadensersatzanspruch gem. § 246 Abs. 4 AktG, der aber nicht zu einer Beseitigung des Hauptversammlungsbeschlusses führt. Im Ergebnis haben Minderheitsaktionäre damit keine Handhabe, um einen Beschluss zu verhindern.
  • Der Ausschluss von Minderheitsaktionären durch den WSF (sog. aktienrechtlicher Squeeze-Out nach § 327a Abs. 1 AktG) ist bereits dann möglich, wenn der WSF 90% des Grundkapitals auf sich vereinigt.

Genehmigtes Kapital für die Rekapitalisierung kann in unbegrenzter Höhe geschaffen werden.

Als neue Aktien können insbesondere Aktien mit Gewinnvorzug, Aktien mit einem Vorrang bei der Verteilung des Gesellschaftsvermögens oder stimmrechtslose Vorzugsaktien ausgegeben werden.

Im Übrigen wird die Beteiligung des WSF und die Liquiditätszufuhr durch eine Reihe weiterer Maßnahmen erleichtert bzw. beschleunigt:

  • Genehmigtes Kapital für die Rekapitalisierung kann in unbegrenzter Höhe (vgl. demgegenüber § 202 Abs. 3 AktG: 50% des bestehenden Kapitals) geschaffen werden. Hierfür bedarf es wiederum lediglich einer einfachen Mehrheit in der Hauptversammlung.
  • Der WSF kann eine Voreinzahlung noch vor dem Kapitalerhöhungsbeschluss leisten, die anschließend seiner Einlagepflicht zugeordnet wird. Dadurch wird ein schneller Liquiditätszufluss gewährleistet.
  • An den WSF ausgegebene Aktien mit Gewinnvorzug verlieren diesen automatisch bei Übertragung der Aktien an einen Dritten. Der WSF kann bestimmen, dass Vorzugsaktien bei der Übertragung in (stimmberechtigte) Stammaktien umgewandelt werden.

Bis zum 31. Dezember 2021 kann der Vorstand zudem mit Zustimmung des Aufsichtsrats über die Ausgabe von Genussrechten und nachrangige Schuldverschreibungen (ohne Bezugsrecht für Aktionäre) an den WSF entscheiden. Die Zustimmung der Hauptversammlung ist nur dann erforderlich, wenn das betreffende Instrument ein Recht des WSF zur (späteren) Umwandlung des Instruments in Aktien vorsieht. Für ggf. erforderliche Hauptversammlungsbeschlüsse gelten in diesem Fall die bereits im Rahmen der Kapitalerhöhung angesprochenen Erleichterungen. Auch die Ausgabe von Genussrechten und Schuldverschreibungen an Dritte ist unter den vereinfachten Voraussetzungen möglich, wenn der WSF hierfür eine Garantie übernimmt.

"Erstmals wird durch das WStBG auch für die GmbH ein Squeeze-Out gegen Abfindung ermöglicht, wenn dies für den Erfolg der Stabilisierungsmaßnahme erforderlich ist."

GmbH
Auch in der GmbH werden gesellschaftsrechtliche Maßnahmen deutlich erleichtert sofern sie mit Stabilisierungsmaßnahmen im Zusammenhang stehen:

  • Die Entscheidung über eine Kapitalerhöhung, eine Kapitalherabsetzung oder die Schaffung genehmigten Kapitals (ggf. inkl. Bezugsrechtsausschluss) im Rahmen einer Rekapitalisierung bedarf lediglich der einfachen Mehrheit der anwesenden Stimmen in der Gesellschafterversammlung, wobei abweichende Regelungen im Gesellschaftsvertrag unbeachtlich sind.
  • Die Stimmabgabe in der Gesellschafterversammlung ist in Abweichung von § 48 Abs. 2 GmbHG auch dann schriftlich oder in Textform möglich, wenn nicht alle Gesellschafter dieser Form der Stimmabgabe zustimmen.
  • Zum Wirksamwerden der genannten Beschlüsse gilt das zur AG Gesagte entsprechend, insbesondere bedarf es keiner Eintragung im Handelsregister, sondern lediglich einer Mitteilung auf der Unternehmenswebsite.
  • Erstmals wird durch das WStBG auch für die GmbH ein Squeeze-Out gegen Abfindung ermöglicht, wenn dies für den Erfolg der Stabilisierungsmaßnahme erforderlich ist. Für den Squeeze-Out bedarf es einer Dreiviertelmehrheit unter den anwesenden Stimmen.

Entsprechend der Regelung für die AG darf die Geschäftsführung auch ohne Zustimmung der Gesellschafterversammlung Genussrechte und nachrangige Schuldverschreibungen ausgeben.

(GmbH & Co.) KG
Die Entscheidung darüber, ob der WSF als Kommanditist einer (GmbH & Co.) KG aufgenommen wird, bedarf in der Gesellschafterversammlung nur einer einfachen Mehrheit. Entgegenstehende Regelungen in Gesellschaftsverträgen und Gesellschaftervereinbarungen sind unbeachtlich.

Stille Beteiligung
Das WStBG erleichtert auch die Beteiligung an Unternehmen als stiller Gesellschafter:

  • Beteiligen sich der WSF (oder Dritte) an dem notleidenden Unternehmen im Rahmen der Rekapitalisierung als stille Gesellschafter, so entsteht durch die Vereinbarung über die Vermögenseinlage kein Unternehmensvertrag i.S.v. §§ 291, 292 AktG. Somit bedarf es auch nicht der Zustimmung der Hauptversammlung und keiner Eintragung im Handelsregister.
  • In der Vereinbarung kann auch ein Bezugs- oder Umtauschrecht von/in Aktien – unter Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre – eingeräumt werden. Hierfür bedarf es der Zustimmung der Hauptversammlung mit den oben für den Bezugsrechtsausschluss dargestellten abgesenkten Mehrheitserfordernissen.
  • Damit die Bezugs- oder Umtauschrechte des stillen Gesellschafters bedient werden können, kann extra für diesen Zweck ein bedingtes Kapital geschaffen werden.

Auswirkungen auf sonstige Rechtsgebiete

Die dargestellten gesellschaftsrechtlichen Erleichterungen für die schnelle Umsetzung von Stabilisierungsmaßnahmen werden durch zahlreiche weitere Gesetzesänderungen flankiert. Hierzu zählen im Wesentlichen:

  • Insolvenzrecht: Rechtshandlungen im Zusammenhang mit Stabilisierungsmaßnahmen können nicht zulasten des WSF angefochten werden und Vorschriften der InsO betreffend Gesellschafterdarlehen gelten nicht zulasten des WSF.
  • Wettbewerbsrecht: Der WSF ist weitreichend von den wettbewerbsrechtlichen Regelungen des GWB befreit. Restriktionen bzgl. wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen und Marktbeherrschung sind nicht anwendbar. Es findet keine deutsche Fusionskontrolle im Hinblick auf den Beteiligungserwerb durch den WSF statt.
  • Schuldrecht: Regelungen, die ein Sonderkündigungsrecht des Vertragspartners einer Gesellschaft bei einem Wechsel der Gesellschafter oder die automatische Beendigung des Vertragsverhältnisses vorsehen (sog. Change-of-Control-Klauseln), sind unwirksam, sofern der WSF der neue oder veräußernde Gesellschafter ist. Dasselbe gilt für vertragliche Abfindungs- oder Entschädigungsansprüche in Anstellungs- oder sonstigen Verträgen von Organmitgliedern.
  • Kapitalmarktrecht: Für an den WSF auszugebende Aktien muss keine Börsenzulassung beantragt werden. Das WStBG befreit Unternehmen zudem weitreichend von Mitteilungs-, Anzeige- und Veröffentlichungspflichten im Zusammenhang mit einem Beteiligungserwerb durch den WSF. Der WSF muss auch kein Übernahmeangebot nach § 35 Abs. 2 S. 1 WpÜG abgeben. Bei einer Veräußerung ist das Unternehmen Verantwortlicher, Prospektveranlasser (§ 9 WpPG) und Kostenträger.

"Durch das WStFG ergeben sich sowohl für „Big Player“ als auch für KMUs jeglicher Rechtsform […] wichtige Auswege aus Liquiditätsengpässen."

Resümee und Ausblick

Mit dem neuen WStFG setzt der Gesetzgeber im Kern auf die Instrumente, die sich in der Finanzkrise 2008 aus seiner Sicht bewährt haben, zielt dabei aber vor allem auf Unternehmen der Realwirtschaft. Daraus ergeben sich sowohl für „Big Player“ als auch für KMUs jeglicher Rechtsform, die aufgrund des aktuellen Lockdowns in Schwierigkeiten geraten, wichtige Auswege aus Liquiditätsengpässen. Vorstände und Geschäftsführer sind gut beraten, die zur Verfügung stehenden Maßnahmen im Rahmen des Krisenmanagements zu prüfen.

Aufgrund der weitreichenden Zurückdrängung von gesellschaftsrechtlichen Minderheitenrechten ist zudem zu erwarten, dass sich insbesondere auch Gesellschafter und Investoren, die eine Beteiligung an betroffenen Unternehmen halten, mit bislang unbekannten rechtlichen Herausforderungen konfrontiert sehen werden. Zur bestmöglichen Wahrung ihrer Rechte, ist eine frühzeitige Auseinandersetzung mit dem Rechtsrahmen des WSF auch für diese Investorengruppe dringend zu empfehlen.

Auch Jan Winzen, ein ehemaliger managing associate in unserem Frankfurter Büro, hat ebenfalls zu diesem Artikel beigetragen.